Hilferuf aus Herzchirurgie und Intensivmedizin: Dringende Herzoperationen müssen verschoben werden

Fachgesellschaften ÖGARI und ÖGHT: Solidarisch handeln und Intensivstationen entlasten – Alle Schwerkranken haben Recht auf bestmögliche Versorgung

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„Auch wenn die Zahl der SARS-CoV-2-Neuinfektionen aktuell leicht rückläufig sind, steigen die Belagszahlen an unseren Intensivstationen weiter an, in immer mehr Bundesländern sind wir längst jenseits der sogenannten systemkritischen Auslastung“, sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder. „Leider befinden wir uns jetzt in der Situation, vor der wir schon seit Monaten gewarnt haben, dass nämlich durch die Überlastung der Intensivkapazitäten alle von Leistungseinschränkungen im Krankenhaus betroffen sein können, Nicht-COVID-Patient*innen genauso wie von COVID-19 Betroffene.“

Besonders kritisch sei die Lage zunehmend für Menschen, die eine Herzoperation benötigen, warnt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie (ÖGHTC) Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Holzinger: „Wir sehen mit größter Besorgnis, dass durch die große Zusatzbelastung der Intensivstationen immer häufiger dringend nötige Herzoperationen verschoben werden müssen.“ Betroffen seien Menschen mit Herzklappenerkrankungen, koronaren Herzerkrankungen oder Aortenaneurysmen – alle mit einem hohen Leidensdruck. „Besonderes Augenmerk müssen wir auch auf Kinder mit angeborenen Herzfehlern und auf Personen mit Herzinsuffizienz legen, die unter schwerer Atemnot leiden und auf ein Kunstherz oder eine Transplantation warten“, so der ÖGHTC-Präsident.

Die Herzchirurgie ist im Zusammenhang mit der Corona-bedingten Überlastung ein besonders sensibler Bereich, weil Patient*innen nach einer Operation am Herzen in jedem Fall eine Betreuung auf der Intensivstation benötigen. Zudem gibt es hier auch weniger Möglichkeiten, bei Überlastung eines Krankenhauses Betroffene in ein anderes Haus im Bundesland zu verlegen. Denn insgesamt stehen in Österreich nur neun herzchirurgische Zentren zur Verfügung.

Bei Notfällen und akut vorrangigen Fällen werden Eingriffe noch durchgeführt, erklärt Assoc.-Prof. Dr. Nikolaos Bonaros, Sekretär der ÖGHTC. „Zahlreiche Herzoperationen werden auf unbestimmte Zeit verschoben, wir können den Patient*innen oft trotz hohem Leidensdruck keine Operationstermine nennen. Das hat gravierende Konsequenzen. Zum einen kann es zu akuten Ereignissen wie Herzinfarkt, schweren Rhythmusstörungen oder einer Entgleisung der Herzschwäche kommen. Zum anderen sind Herzerkrankungen fortschreitend, somit kommen die Betroffenen bei einer oft sogar mehrfachen Verschiebung des Eingriffs in einem immer schlechteren Zustand zur Operation. Damit erhöht sich auch das Operationsrisiko erheblich.“

„Wir müssen jetzt möglichst rasch wieder aus dieser Situation herauskommen, in der selbst in einem hochentwickelten Gesundheitssystem wie dem unseren bei weitem nicht mehr alle Patient*innen mit unterschiedlichsten Erkrankungen die Versorgung bekommen, die sie benötigen würden“, sagt Prof. Hasibeder. „Tag für Tag für Tag sind mehr Menschen Opfer einer unzureichend eingedämmten Pandemie und einer unzureichenden Durchimpfung.“

Dieses Thema beschäftigt Fachleute in vielen Ländern: Erst vor wenigen Tagen hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin ihre Triage-Leitlinie aktualisiert und betont, auch unter Pandemie-bedingter Ressourcenknappheit in der Intensivmedizin dafür Sorge zu tragen sei, dass Patient*innen mit anderen Erkrankungen gegenüber an COVID-19 Erkrankten nicht benachteiligt werden. ÖGHTC und ÖGARI plädieren gemeinsam für solidarisches und konsequentes Handeln, auf individueller wie auf politischer Ebene. „Wir appellieren an alle, sich im eigenen Interesse und im Sinne der sozialen Verantwortung impfen zu lassen bzw. sich den empfohlenen Impf-Booster zu holen. Bitte nutzen Sie die Immunisierungsangebote und reduzieren Sie Ihre Kontakte, unabhängig vom Erlaubten, auf das Notwendigste. Denken Sie daran, dass zahlreiche Patient*innen aktuell auf dringend erforderliche Behandlungen verzichten müssen“, so Prim. Holzinger und Prof. Bonaros. „An die Politik appellieren wir nachdrücklich, bei der Entscheidung über allfällige Öffnungsschritte und sonstige Maßnahmen zum Pandemiemanagement höchste Umsicht walten zu lassen und immer die Versorgungskapazitäten im Auge zu behalten. Wir brauchen in den Krankenhäusern dringend eine nachhaltige Entlastung der Intensivstationen, um uns endlich wieder einem Normalbetrieb mit optimaler Versorgung für alle anzunähern, “ sagt Prof. Hasibeder.

Quelle: Pressemitteilung der ÖGARI und ÖGHT, 2. Dezember 2021