„Cancer Survivors“ – Schmerzen nach überstandener Krebserkrankung

21. Österreichische Schmerzwochen: Die Zahl der Patient*innen, die nach überstandener Krebserkrankung weiter an Schmerzen leidet, nimmt beständig zu. Chronische Schmerzen bei „Cancer Survivors“ müssen mit einer multimodalen interdisziplinären Schmerztherapie behandelt werden.

Die Gruppe der sogenannten Cancer Survivors mit chronischen Schmerzen wird immer größer. Nach überstandener Krebserkrankung können die Schmerzen auch noch Jahre nach der Anfangsdiagnose anhalten und werden häufig nicht adäquat behandelt. „Nicht nur die akuten Schmerzen während der Krebserkrankung, sondern auch die chronischen Schmerzen der Cancer Survivors bedürfen höchster Aufmerksamkeit und geeigneter Behandlungsstrategien“, sagt OÄ Dr. Waltraud Stromer, Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der Österreichischen Schmerzwochen.

Cancer Survivors

Aufgrund der allgemeinen Steigerung der Lebenserwartung, der Verbesserungen in der Krebs-Früherkennung, personalisierter Therapien und der Einführung neuer Medikamente kommt es immer häufiger dazu, dass Menschen von Krebs geheilt werden oder für eine lange Zeit mit der Krankheit leben können. Das Robert-Koch-Institut schätzte die Zahl der Krebs-Langzeitüberlebenden (>5 Jahre nach der Diagnosestellung) in Deutschland auf vier Prozent der Gesamtbevölkerung. In Österreich dürfte die Situation ähnlich sein. Der Anteil der Cancer Survivors, die an chronische Schmerzen leiden, wird in Studien mit zwischen zehn bis zu 40 % angegeben.

Schmerzen nach einer Krebserkrankung

Wie häufig diese Schmerzen auftreten, ist je nach Art der Krebserkrankung unterschiedlich, bei Brust- oder Darmkrebs aber wesentlich häufiger als bei anderen Krebsformen. Das Risiko für chronische Schmerzen hängt auch ab von Veranlagung, Lebensführung, den individuell unterschiedlichen Möglichkeiten, mit Schmerzen umzugehen, und Umweltfaktoren. Verstärkt werden können die Schmerzen durch weitere, infolge der Krebserkrankung auftretende gesundheitliche Probleme wie Fatigue oder schlechter Schlafqualität. Zudem muss beachtet werden, dass der Großteil der Langzeitüberlebenden älter als 65 Jahre ist und drei von vier ehemaligen Krebspatient*innen zusätzlich an mindestens zwei oder mehr krebsunabhängigen Erkrankungen leiden.

Chronische Schmerzen nach einer Krebserkrankung können durch die Krankheit selbst bedingt sein oder Nebenwirkungen der Chemotherapie oder der Strahlentherapie als Ursache haben. Belegt sind auch die zunehmende Verbreitung von viszeralen Schmerzen nach Krebsoperationen und von Gelenkschmerzen, die durch Aromatasehemmer ausgelöst werden, einem Arzneimittel zur Behandlung von Brustkrebs.

Multimodale und interdisziplinäre Schmerztherapie

„Aufgrund der Komplexität und großen Vielfalt der Schmerzzustände von Cancer Survivors ist eine Ein-Mittel-für-alle-Behandlungsmethode – etwa mit Opioiden – nicht zielführend“, sagt Dr. Stromer. Opioide sollten nur bei sorgfältig ausgesuchten Patient*innen und in ein multimodales Konzept eingebettet zum Einsatz kommen. „Die Opioid-Therapie von Cancer Survivors gestaltet sich ähnlich wie die von nicht tumorbedingten Schmerzen. Das bedeutet, die einzelnen Opioide mechanismenorientiert auszuwählen, in der Dosierung an die Schmerzintensität anzupassen und auch wieder die Dosierung zu reduzieren, wenn der Schmerz gelindert ist. Es muss besonders darauf geachtet werden, dass es zu keiner Toleranzentwicklung oder Opioidabhängigkeit kommt“, präzisiert ÖSG-Generalsekretär Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar. Minimiert werden können die Risiken für Medikamentenabhängigkeit und eines Wirkverlustes auch, indem bereits früh und noch während der Krebsbehandlung Onkolog*innen mit Schmerzspezialist*innen zusammenarbeiten und ein multimodalen Schmerzmanagement beginnen.

Mit der eingehenden Untersuchung der Patient*innen schließen die Schmerzspezialist*innen zunächst aus, dass die Schmerzen der Cancer Survivors Ausdruck einer Wiederkehr der Krebserkrankung oder eines Sekundärtumors sind. Ebenfalls zu Beginn der Behandlung erfassen sie, ob schon früher chronische Schmerzen erlebt und welche Schmerztherapien bereits durchgeführt wurden.

Die optimale Schmerztherapie besteht neben den schmerzlindernden Medikamenten auch aus verhaltenstherapeutischen Ansätzen und Unterstützung durch Psycholog*innen, da die Schmerzen der Cancer Survivors häufig auch mit Angstzuständen und Depression sowie mit Problemen im Beruf, mit der körperlichen Leistungsfähigkeit, in der Partnerschaft oder der Sexualität verbunden sind. „Es muss sichergestellt werden, dass die Fortführung der Schmerztherapie auch dauerhaft möglich ist, da chronische Schmerzen die Cancer Survivors ein Leben lang beeinträchtigen können“, sagt Prof. Likar.  

Bericht: Dr. Stefan Wolfinger

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Erschienen in den Schmerz Nachrichten 3/22


21. Österreichische Schmerzwochen

Seit über zwanzig Jahren informiert die ÖSG mit einer jährlichen Kampagne über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin, klärt über das verfügbare Behandlungsspektrum auf und sensibilisiert politische Entscheidungsträger*innen für Notwendigkeiten und Defizite in der Schmerzversorgung.

Inhaltlich orientieren sich die 21. Schmerzwochen am diesjährigen Motto der International Association for the Study of Pain (IASP): „Translating Pain Research to Practice”.


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