Kopfschmerzen in der Schwangerschaft

21. Österreichische Schmerzwochen: Während der Schwangerschaft sind Frauen häufig von Kopfschmerzen betroffen. Um eine möglicherweise sogar lebensbedrohliche Erkrankung ausschließen zu können, sollten Schwangere ihre Kopfschmerzen ärztlich untersuchen lassen. Auch für werdende Mütter gibt es eine Reihe geeigneter Medikamente zur Migräneprophylaxe und zur Behandlung akuter Kopfschmerzen.

© Anna Rauchenberger

Während der Schwangerschaft leiden Frauen häufig an primären Kopfschmerzen, wie Migräne und Spannungskopfschmerzen. Es können aber auch sekundäre Kopfschmerzen auftreten, die im Zusammenhang mit Erkrankungen, wie intrakraniellen Blutungen, Schlaganfall oder Meningitis stehen. Der Anteil an sekundären Kopfschmerzen in der Schwangerschaft ist höher als bei Nichtschwangeren und liegt, je nach Studie, bei 15 bis 35 %. „Sekundäre Kopfschmerzen können ein Anzeichen für eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung sein. Vor allem, wenn eine schwangere Frau neu auftretende Kopfschmerzen hat, die Beschwerden ungewohnt stark sind und plötzlich auftreten, sollte sie sich unbedingt sorgfältig ärztlich untersuchen lassen“, rät Prim. PD Dr. Nenad Mitrovic, Past President der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der 21. ÖSG-Schmerzwochen.

Kopfschmerz: Hinweis auf Präeklampsie?

Wichtig ist es auch, so Dr. Mitrovic, durch entsprechende Untersuchungen eine Präeklampsie auszuschließen bzw. zu erkennen. „Ein erstmaliges Auftreten oder auch eine Verschlechterung von Bluthochdruck, verbunden mit einer vermehrten Eiweißausscheidung im Urin nach der 20. Schwangerschaftswoche und begleitenden Kopfschmerzen sind Symptome einer Präeklampsie. Im Verlauf kann es zu Krampfanfällen, einer Plazenta-Ablösung oder auch einer vorzeitigen Geburt kommen. Das bevorzugte bildgebende Verfahren in der Kopfschmerzdiagnostik von Schwangeren ist die MRT, da hier keine Nachteile für den Fötus berichtet werden“, sagt Prim. Mitrovic. Auf die Gabe des Kontrastmittels Gadolinium sollte dennoch verzichtet werden.

Behandlungsoptionen mit und ohne Medikamente

Die Kopfschmerzbehandlung während der Schwangerschaft unterscheidet sich deutlich von der Therapie der Nichtschwangeren. Kopfschmerzmedikamente können negative Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben, es sei somit den „nichtmedikamentösen Maßnahmen der Vorzug zu geben“, betont Prim. Mitrovic. Dazu gehören etwa: das Vermeiden auslösender Triggerfaktoren, ausreichend und regelmäßig schlafen, genug trinken und regelmäßig essen. Des Weiteren haben sich Entspannungsverfahren, Massagen, Wärme- oder Kälteanwendungen, Biofeedback, Akupunktur sowie Ausdauersport bewährt. Eine Verhaltenstherapie kann vor allem bei chronischer Migräne helfen.

„Wenn nötig, können sorgfältig ausgewählte Medikamente zur Akuttherapie oder Prophylaxe eingesetzt werden“, so Prim. Mitrovic. Bei Migräneattacken und akuten Spannungskopfschmerzen ist Paracetamol aufgrund des Sicherheitsprofils das Medikament der ersten Wahl. Kombinationen mit Codein, Coffein oder Metoclopramid können seine Wirksamkeit verbessern, die Kombinationspräparate sollen jedoch nicht regelmäßig zur Anwendung kommen. Acetylsalicylsäure (ASS) und NSAR (z. B. Ibuprofen, Naproxen) können in den ersten zwei Schwangerschaftstrimestern bei Migräne und bei therapieresistenten Spannungskopfschmerzen gegeben werden. Es gibt jedoch Hinweise, dass im ersten Trimester unter NSAR die Abortrate erhöht sein könnte. Nach der 20. Schwangerschaftswoche soll die NSARGabe in der Regel auf maximal 48 Stunden begrenzt werden, um die fetale Nierenfunktion nicht zu gefährden. Nach der 30. Schwangerschaftswoche soll die NSAR- Gabe nur ausnahmsweise und kurz erfolgen, um einen vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus beim Fötus zu vermeiden. Triptane (Sumatriptan, Eletriptan) können bei therapieresistenter, starker Migräne zum Einsatz kommen, die Daten aus vorhandenen Registern ergeben keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Missbildungen.

Migräneprävention auch in der Schwangerschaft möglich

Wenn aufgrund häufiger und schwerer Migräneattacken ein besonders hoher Leidensdruck und eine Einschränkung der Lebensqualität bestehen, können auch Schwangere bestimmte Medikamente zur Migräneprophylaxe einnehmen. „Betablocker wie Metoprolol und Propranolol oder auch Kalziumantagonisten werden hierfür eingesetzt“, sagt Prim. Mitrovic. Flunarizin, ein bevorzugtes Präparat in der Migräneprophylaxe, sollte hingegen nicht verwendet werden, da die Datenlage hinsichtlich der Wirksamkeit in der Schwangerschaft zu gering ist. Die Anti-CGRP- Rezeptor/CGRP- Antikörper sollen aufgrund der noch fehlenden Daten in der Schwangerschaft nicht verwendet werden. Valproinsäure und Topiramat sind während der Schwangerschaft aufgrund der Risiken für Fehlbildungen des Fötus kontraindiziert.

Schwangerschaft und Stillen bessert häufig Migräne

Bei den meisten Patientinnen, die während der Schwangerschaft an Migräne leiden, wurde die Kopfschmerzerkrankung schon vor der Schwangerschaft diagnostiziert. Viele Migränepatientinnen erleben einen angenehmen Nebeneffekt während der Schwangerschaft: Etwa die Hälfte der Frauen verzeichnet im ersten Drittel eine deutliche Besserung ihrer Migräneattacken, im letzten Drittel der Schwangerschaft sind es bereits mehr als 80 %. Bei 5–8 % der Patientinnen verschlechtert sich hingegen die Migräne. Als Ursache für eine geringere Attackenhäufigkeit in der Schwangerschaft wird ein konstanterer Hormonspiegel diskutiert. Nach der Schwangerschaft kehrt die Migräne bei den meisten Frauen zurück. Stillen ist zumeist ein guter Schutz vor Migräneattacken. Die Häufigkeit von episodischen Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen ändert sich hingegen während der Schwangerschaft bei den meisten Frauen nicht.

Bericht: Dr. Stefan Wolfinger  

© Prostock-studio / stock.adobe.com

Weiterführende Literatur

1. Amundsen S, et al. Pharmacological treatment of migraine during pregnancy and breastfeeding. Nat Rev Neurol. 2015;11(4):209–19.
2. Duley L, et al. Antiplatelet agents for preventing pre-eclampsia and its complications. Cochrane Database Syst Rev. 2019;2019(10). Epub 2019 Oct 30. https:// doi.org/10.1002/14651858.CD004659.pub3
3. Fox AW, Diamond ML, Spierings EL. Migraine during pregnancy. Cns Drugs. 2005;19(6):465–81.
4. Erstevag JM, et al. Headache and transient neurological symptoms during pregnancy, a prospective cohort. Acta Neurol Scand. 2005;111:233–7.
5. Govindappagari S, et al. Peripheral nerve blocks in the treatment of migraine in pregnancy. Obstet Gynecol. 2014;124(6):1169–74.
6. Kvisvik EV, et al. Headache and migraine during pregnancy and puerperium: the MIGRA-study. J Headache Pain. 2011;4:443–51.
7. Lee MJ, Guinn D, Hickenbottom S. Headache in pregnant and postpartum women. Uptodate. 2020;12. https://www.uptodate.com. Zugegriffen: 10. Mai 2022
8. Lucas S. Medication use in the treatment of migraine during pregnancy and lactation. Curr Pain Headache Rep. 2009;13(5):392.
9. Marchenko A, et al. Pregnancy outcome following prenatal exposure to triptan medications: a meta-analysis. Headache. 2015;55(4):490–501.
10. Negro A, et al. Headache and pregnancy: a systematic review. J Headache Pain. 2017;18(1):106.
11. Robinson AY, Grogan PM. OnabotulinumtoxinA successfully used as migraine prophylaxis during pregnancy: a case report. Mil Med. 2014;179(6):e703–e4.
12. Sances G, et al. Course of migraine during pregnancy and postpartum: a prospective study. Cephalalgia. 2003;23(3):197–205.
13. Skajaa N, et al. Pregnancy, Birth, Neonatal, and Postnatal Neurological Outcomes After Pregnancy With Migraine. Headache. 2019;59(6):869.

Erschienen in den Schmerz Nachrichten 2/22


21. Österreichische Schmerzwochen

Seit über zwanzig Jahren informiert die ÖSG mit einer jährlichen Kampagne über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin, klärt über das verfügbare Behandlungsspektrum auf und sensibilisiert politische Entscheidungsträger*innen für Notwendigkeiten und Defizite in der Schmerzversorgung.

Inhaltlich orientieren sich die 21. Schmerzwochen am diesjährigen Motto der International Association for the Study of Pain (IASP): „Translating Pain Research to Practice”.


Unterstützt werden die 21. Österreichischen Schmerzwochen von: