Migräne: Neue Medikamente für Prophylaxe und Akutbehandlung in Sicht

21. Österreichische Schmerzwochen: Neue Medikamente aus den Substanzgruppen der Ditane und Gepante könnten die Palette für die individuell abgestimmte Migränetherapie erweitern. Ihre Zulassung in der EU ist beantragt.

© Anna Rauchenberger

Gegen Migräneattacken gibt es inzwischen eine Reihe gut wirksamer Standardtherapien: Triptane, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sowie Kombinationspräparate sind die Mittel erster Wahl, Paracetamol und Metamizol werden als Mittel der zweiten Wahl eingesetzt. Die Erfolgsrate der Behandlung einer Migräneattacke hängt von einer möglichst frühzeitigen medikamentösen Behandlung in ausreichender Dosierung ab. Das Ziel der Akuttherapie ist Schmerzfreiheit oder eine deutliche Schmerzreduktion innerhalb der ersten zwei Stunden nach Einnahme der Medikation. Leider spricht ein Teil der Patient*innen nicht ausreichend auf die genannten Medikamente an, oder entwickelt starke Nebenwirkungen. „Bei bestimmten Begleiterkrankungen können Nebenwirkungen nicht nur belastend, sondern sogar gefährlich sein. Das schränkt unsere Therapiemöglichkeiten ein“, berichtet Prim. PD Dr. Nenad Mitrovic, Past President der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der 21. ÖSG- Schmerzwochen. Umso wichtiger ist daher die Entwicklung neuer Migränemedikamente mit möglichst geringen Nebenwirkungen.

Neue Substanzen gegen Migräneattacken

Mit Lasmiditan könnte in absehbarer Zeit ein neues Medikament gegen Migräneattacken zu Verfügung stehen. „Es gehört zur Substanzgruppe der Ditane. Das sind selektive Agonisten am Serotonin 5-HT1F-Rezeptor. Lasmiditan war in Phase III-Studien wirksam und hat folgenden Vorteil gegenüber Triptanen: Es verengt die Blutgefäße nicht und könnte daher auch Patient*innen verschrieben werden, die beispielsweise kardiovaskuläre Risikofaktoren haben“, erläutert Prim. Mitrovic. Ganz nebenwirkungsfrei ist aber auch dieses Medikament nicht: Ditane passieren die Blut-Hirn-Schranke und können somit Schwindel, Schläfrigkeit und Parästhesien hervorrufen. Eine Zulassung von Lasmiditan erfolgte bis dato nur in den USA, ein Zulassungsantrag für die EU wurde gestellt.

Zwei weitere neue Medikamente sind Rimegepant und Ubrogepant aus der Wirkstoffgruppe der Gepante. „Zu diesen CGRP-Rezeptor-Antagonisten der zweiten Generation gibt es bereits viele Studien, die eine Wirksamkeit zeigen. Einen direkten Wirksamkeitsvergleich mit den Triptanen gibt es jedoch nicht“, so Prim. Mitrovic. Sie werden oral eingenommen und führen zu keiner Verengung der Blutgefäße. „Bisherige Ergebnisse zeigten eine gute Verträglichkeit und Sicherheit, die Langzeitdaten fehlen jedoch.“ Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat Rimegepant und Ubrogepant für die Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat Rimegepant im April 2022 als erstes Migränemittel zugelassen, das sowohl in der Akuttherapie als auch in der Prophylaxe eingesetzt werden kann.

Medikamente zur Migräneprophylaxe

In der Prophylaxe-Therapie der episodischen Migräne haben sich Beta-Blocker, Topiramat, Flunarizin, Amitriptylin als Standard etabliert, für die chronische Migräneform wird u. a. Onabotulinum-Toxin Typ A eingesetzt. Seit einigen Jahren stehen auch monoklonale Antikörper gegen das Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) oder den CGRP-Rezeptor zur Verfügung. Vier derartige Präparate haben bis dato in der EU die Zulassung zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen erhalten: Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab und Anfang 2022 Eptinezumab. In den Zulassungsstudien zeigen die CGRP- Antikörper eine gute Wirksamkeit und zeichnen sich vor allem durch eine gute Verträglichkeit bei geringer Nebenwirkungsrate aus.

„Die CGRP-Antikörper sind gewiss ein Durchbruch in der Migräneprophylaxe, da mit ihnen erstmalig Medikamente zur Verfügung stehen, die gezielt in den Entstehungsmechanismus der Migräne eingreifen. In einer vor kurzem veröffentlichten Studie zeigte der CGRP- Rezeptor-Antikörper Erenumab eine bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit als das etablierte Präparat Topiramat. Die CGRP- Antikörper können laut Erstattungskodex verschrieben werden, wenn drei etablierte Medikamente unwirksam waren oder nicht vertragen wurden. Die Antikörpertherapie ist im Vergleich zur herkömmlichen Therapie mit hohen Kosten verbunden“, sagt Prim. Mitrovic.

Ziel der medikamentösen Prophylaxe ist die Reduktion der Attacken-Frequenz und somit eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität. Von einer erfolgreichen Prophylaxe kann gesprochen werden, wenn sich die monatlichen Migränetage zumindest halbieren.

Bericht: Dr. Stefan Wolfinger

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Weiterführende Literatur

1. Diener HC, Brössner G, Frank F, Holle D, Nägel S, Reuter U (2021) Neues bei Migräne – Update 2021. https://aerztezeitung.at/wp-content/uploads/2021/05/DFP_9.pdf   

2. Reuter U et al (2022) Erenumab versus topiramate for the prevention of migraine – a randomised, double-blind, active-controlled phase 4 trial. Cephalalgia 42(2):108–118 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S6_2020_Migraene_Spannungskopfschmerz.pdf?__blob=publicationFile

Erschienen in den Schmerz Nachrichten 2/22


21. Österreichische Schmerzwochen

Seit über zwanzig Jahren informiert die ÖSG mit einer jährlichen Kampagne über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin, klärt über das verfügbare Behandlungsspektrum auf und sensibilisiert politische Entscheidungsträger*innen für Notwendigkeiten und Defizite in der Schmerzversorgung.

Inhaltlich orientieren sich die 21. Schmerzwochen am diesjährigen Motto der International Association for the Study of Pain (IASP): „Translating Pain Research to Practice”.


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