Zusammenfassung
Rheuma-Patient:innen werden von ihren behandelnden Ärzt:innen zwar über Erkrankung und Therapieoptionen aufgeklärt, haben aber oft Hemmungen, dem ärztlichen Personal gegenüber einzugestehen, etwas „nicht verstanden“ zu haben oder auch „nicht zu mögen“. Rheumafachassistent:innen agieren dann meist als Bindeglied und erste Anlaufstelle für Patient:innenfragen. Dazu braucht es fachliche und kommunikative Kompetenz. Gute Gespräche nehmen Ängste und stärken das Vertrauen der Patient:innen.

von Michaela Zangerl, DGKP, LKH Hochzirl-Natters, Tirol-Kliniken

Meine berufliche Laufbahn startete vor 30 Jahren im Krankenhaus Hochzirl. Zu dieser Zeit kamen ältere Menschen zur Abklärung, Behandlung und Rehabilitation ins Haus. Mit der Neubesetzung eines Rheumatologen zum Oberarzt veränderte sich der Pflegealltag. Mein erworbenes Fachwissen zur Rheumafachassistenz und Pain Nurse unterstützen mich in meiner Tätigkeit, mit dem um einige Jahre jüngeren Patient:innenklientel und Diagnosen.
Rheumatoide Arthritis (RA)
In Europa leiden ca. 25 Mio. Menschen an einer entzündlich-rheumatologischen Erkrankung. Die Möglichkeit, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken, betrifft Frauen in der Regel zwei- bis dreimal häufiger als Männer.
An rheumatoide Arthritis erkrankte Menschen berichten über geschwollene, überwärmte Gelenke. Große Gelenke, wie Knie, Hüfte und Schulter, aber auch Ellbogen, Hand- und Sprunggelenke. Die kleinen Finger- und Zehengelenke können ebenfalls betroffen sein. Schmerzen treten vermehrt in der zweiten Nachthälfte auf. Die morgendliche Gelenksteifigkeit, eine Stunde oder länger, verbessert sich mit fortschreitender Tageszeit und mit Bewegung. Einen Knopf oder Reißverschluss beim Anziehen zu schließen oder sich das Frühstück vorzubereiten kann ein Problem werden. Sehr belastend werden Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) von den Betroffenen beschrieben, die auch mit einem Gefühl wie bei einem grippalen Infekt verbunden sein können.
Mit der Vorstellung bei Ärzt:innen für Rheumatologie erhoffen sich Patient:innen eine schnelle Diagnose, Behandlung und vor allem eine Besserung ihrer Beschwerden und Schmerzen. Letzteres gelingt in der Regel mit der Verordnung und Einnahme von Kortikoiden recht schnell.
Die Diagnose einer chronischen, lebenslangen Erkrankung erschrecken, verunsichern und verängstigen Patient:innen, Familie, Angehörige und Freund:innen. Fragen zu Lebens- und Berufsentscheidungen, Kinderwunsch, Reisen, Sport usw. drängen sich auf. Mit der meist am Beginn verordneten Kortikoidtherapie klingen Beschwerden schnell ab, schaffen Vertrauen zur Behandlung und ebnen den Weg zur Akzeptanz langfristiger Therapien. Heute stehen neben den klassischen DMARDs (wie z. B. Methotrexat) auch Biologika und Januskinase-Hemmer als sogenannte Basistherapeutika zur Verfügung. Rheumapatient:innen erhalten damit eine auf ihre Krankheitsaktivität abgestimmte, Komorbiditäten und Lebensumstände (z. B. Kinderwunsch) beachtende individuelle Behandlung und können im Idealfall ein nahezu normales Leben in Remission führen.
Rheumapatient:innen verjüngten unser Patient:innenklientel und belebten unseren Stationsalltag. Es benötigte einige interne Gespräche und Fortbildungen, um den Rheumapatient:innen und/oder chronischer Schmerzpatient:innen in der Betreuung gerecht zu werden. Pflegepersonen sind in der Regel die erste Anlaufstelle für Patient:innenfragen, thematisiert werden unter anderem Sorgen, Ängste, Bedenken und Ärger nach deren Gesprächen mit den Ärzt:innen.
Patient:innen werden von den behandelnden Ärzt:innen über Erkrankung und Behandlung aufgeklärt. Sie füllen Fragebögen zu Krankheitsaktivität und körperliche Funktionen aus, haben aber Hemmungen, dem ärztlichen Personal gegenüber einzugestehen, etwas „nicht verstanden“ zu haben oder auch „nicht zu mögen“. Pflegepersonen sind ein wichtiges Bindeglied und verstärken das Vertrauen der Patient:innen. „Stimmt es, dass ich an einer Autoimmunerkrankung leide?“ „Wie lange muss ich das Methotrexat einnehmen?“ „Ich habe den Beipackzettel gelesen und möchte es eigentlich nicht.“ „Würden Sie sich das Biologikum spritzen?“ … Fachwissen ist gefragt! Zusammenhänge über Krankheitsentstehung, Entzündungsprozess, Medikation, komplementärer Pflegemethoden, usw. in Ruhe (noch einmal) erklärt zu bekommen und zu verstehen, ermöglichen den Betroffenen einen besseren Umgang mit der Erkrankung. Auch die Art der Gesprächsführung kann eine Entscheidung beeinflussen.
Kasuistik
Ein Beispiel aus dem stationären Bereich. Eine Patientin, die schon seit Jahren an einer rheumatoiden Arthritis leidet, wird stationär aufgenommen. Sie erhält Wärmeanwendungen, Entspannungstraining und Gruppenbewegungstherapie. Im Rahmen des stationären Schmerzmanagements erhält sie zu ihrer Medikation zusätzlich Aromapflege und Kälteanwendungen. Aufgrund ihrer multiplen Allergien und Unverträglichkeiten wurde ihre Medikation schon mehrfach um- und neu eingestellt. Einige mögliche Medikationen können nicht verordnet werden, andere führten bei längerer Einnahme zu Unverträglich- oder Wirkungslosigkeit.
Zum Zeitpunkt des Aufenthaltes spritzt sie sich einmal monatlich ein Biologikum selbst subkutan. Die ersten drei Verabreichungen verlaufen unauffällig. Sie verspürt sogar eine Art „Erleichterung“ und „Wohlbefinden“. Die letzten zwei Gaben verlaufen allerdings nicht nach Wunsch. An der Einstichstelle zeigt sich eine Schwellung mit Rötung über zwei Tage und leichtem Juckreiz einhergehend. Sie äußert Angst vor einer neuerlichen allergischen Reaktion. Fotos auf dem Handy unterstreichen ihre Darstellung. Der behandelnde Arzt empfiehlt für den Moment keine neuerliche Umstellung. Die Patientin vermutet, dass ihm die Behandlungsmöglichkeiten ausgehen.
Im weiteren Gespräch erzählt sie mir, sich nicht mehr viel zu bewegen. Die früher geliebten Spaziergänge lässt sie ausfallen. Sie lässt es „ruhiger auf der Couch“ angehen. Im Trockentraining führt sie mir die Selbstapplikation vor und nimmt Ratschläge zur Kühlung der Haut vor und nach der Injektion gerne an. Weitere Fragen zur Erkrankung beantwortet sie gleich selbst, erwartet aber eine Bestätigung. Die nächste Biologikum-Gabe steht an und sie hegt Zweifel. Mit Nachdruck erklärt sie mir, dieses Medikament abzulehnen, sie verspürte ein Kribbeln an der Zungenspitze und ein Taubheitsgefühl an der Wange nach der Verabreichung. Sie bittet mich, mit dem Arzt zu sprechen, ihr ein anderes Medikament zu verordnen. Ich versuche, sie zu beruhigen, sie sei bei der nächsten Injektion unter kompetenter Aufsicht, aber sie müsse selbst mit dem Arzt sprechen. Am Abend möchte sie nochmals mit mir reden, wiederholt ihre Bedenken, erinnert an ihre Allergien und Unverträglichkeiten, zeigt nochmals die Fotos der Lokalreaktion. Ich nehme mir Zeit, erzähle von meinen Erfahrungen und von Patient:innenberichten, dass Rötung und Juckreiz häufig vorkommen. Zum Abschluss erwähne ich noch, in all den Jahren als Rheumafachassistenz noch nie von einer schwerwiegenden allergischen Reaktion bei unseren Patient:innen gehört zu haben. Und sie solle doch die Besserung durch das Medikament zum Anlass nehmen, wieder mehr Bewegung zu machen. Das täte ihr sicher gut.
Die darauffolgenden Tage hatte ich keinen Dienst. Die Patientin wurde zwei Tage nach der Verabreichung entlassen. Es kam zu keiner allergischen Reaktion, auch die Einstichstelle blieb nach guter lokaler Kühlung bland. Über den behandelnden Physiotherapeuten lässt sie mir ausrichten, wieder Freude an der Bewegung zu haben. Das Gespräch mit mir hätte sie bei der Entscheidung unterstützt, dem Biologikum noch eine Chance zu geben.
Chronische Schmerzen
Patient:innen mit rheumatoider Arthritis leiden unter Schmerzen. Das subjektive Schmerzempfinden ist zu respektieren und hat Einfluss auf die weitere Behandlung: „Schmerz ist das, was der Betroffene über die Schmerzen mitteilt, sie sind vorhanden, wenn der Patient mit Schmerzen sagt, dass er Schmerzen hat“ [1].
Heute ist es das Ziel der Rheumatologie, „Remission oder zumindest eine geringe Krankheitsaktivität“ zu erreichen und bleibende strukturelle Schäden zu vermeiden. Viele unserer älteren bzw. alten Rheumapatient:innen leiden trotz gut beherrschter Entzündungsaktivität unter den Spätfolgen. Ihnen standen noch nicht diese gut wirksamen Medikamente zur Verfügung, und so führen Gelenksdestruktionen, Osteoporose, Operationen, Gelenksersatz usw. zu chronischen Schmerzen oder zu immer wiederkehrenden Schmerzepisode. Begleitend zu einer individuell angepassten medikamentösen Schmerztherapie können komplementäre Pflegemethoden mit Aromaölen und Wickel angewendet werden. Dies hilft oft, die Anzahl erforderlicher Schmerzmittel zu reduzieren.
Vorgehensweise auf unserer Station
Im pflegerischen Erst-Assessment ist ein Tool zur Schmerzerhebung eingerichtet. Patient:innen geben zu Schmerzlokalisation, Schmerzstärke und Schmerzempfinden Auskunft. Erfahrungsberichte der Betroffenen zu schmerzlindernden Maßnahmen und schmerzverstärkenden Faktoren unterstützen uns im weiteren Schmerzmanagement. Aromapflege ist in unserem Haus implementiert und wird während des Gesprächs angeboten. Patient:innen mit rheumatoider Arthritis können durchaus von Einreibungen mit Fertigölmischungen oder Duftanwendungen mit ätherischen Ölen profitieren. Topfenwickel, Coolbag und Wärmekissen stehen ebenfalls zur Verfügung. Die Entscheidung, welche Maßnahme zur Anwendung kommt, wird gemeinsam mit den Patient:innen getroffen, unter Berücksichtigung der Krankheitsaktivität und Ausschluss von Allergien und Unverträglichkeiten.
All die genannten Maßnahmen wirken schmerzlindernd, beeinflussen das Wohlbefinden und sind zu Hause anwendbar.
Rheumapatient:innen sind dankbar um das Fachwissen der Rheumafachassistent:innen. Fragen und Ängste nach dem Ärzt:innen-Gespräch kompetent beantwortet zu wissen, stärken das Vertrauensverhältnis. Rheumafachassistent:innen sind Bindeglied zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Diese spannende, herausfordernde und abwechslungsreiche Tätigkeit macht mir Freude und bereichert meinen Berufsalltag.
Literatur
- McCaffery, Beebe, Latham. Schmerz – Ein Handbuch für die Pflegepraxis. Berlin/Wiesbaden: Ullstein Mosby; 1997.
erschienen in SCHMERZ NACHRICHTEN 1/2025