Thema des Monats

Analgosedierung bei Kindern zur präklinischen Versorgung, für diagnostische und interventionelle Eingriffe

Sedierung und Analgosedierung sind häufig sowohl im präklinischen als auch im klinischen Bereich eine Herausforderung, die sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl benötigt.

von OÄ Dr. Natascha Ahyai, ao. Univ.-Prof. Dr. Anette-Marie Schultz, OÄ Dr. Maria Vittinghoff und Dr. Bernhard Ziegler

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Analgosedierung in der präklinischen Notfallmedizin stellt nach der Wiederherstellung bzw. dem Erhalt der Vitalfunktionen eine wesentliche Maßnahme in der Notfallversorgung von Kindern dar. Aktuell existieren keine Guidelines für ein prähospitales Analgosedierungsmanagement.

Aus vorliegenden Daten geht hervor, dass im präklinischen Setting 52–88 % der Kinder mit mittleren bis starken Schmerzen keine analgetischen Medikamente erhalten haben [1, 2].

Eine ausführliche Anamnese bzw. körperliche Untersuchung lässt sich in der Notfallsituation meist nur sehr eingeschränkt durchführen. Naturgemäß sind alle Patient:innen im präklinischen Setting als potenziell nicht nüchtern zu betrachten. In der Literatur wird jedoch ein Aspirationsereignis bei tiefer Analgosedierung als „ungewöhnlich“ eingestuft und das damit verbundene Risiko als kein Grund für eine verzögerte Analgosedierung angesehen [3,4,5].

Ein Monitoring – EKG, Pulsoxymetrie und ETCO2 – sollte, soweit möglich, auch in der Präklinik zur Anwendung kommen. Als Minimalvariante ist unbedingt eine Pulsoxymetrie anzulegen. Weiters müssen sowohl die apparativen als auch die personellen Voraussetzungen für ein eventuell notwendiges Atemwegsmanagement gewährleistet sein [6].

Aufgrund des gewünschten raschen Wirkeintritts konzentriert sich die medikamentöse Auswahl entsprechend der Literatur auf folgende Substanzen:

  • Propofol/Opioid (Fentanyl od. Morphin) als Kombination oder Monotherapie
  • Midazolam/Ketamin als Kombination oder Monotherapie
  • Nalbuphin

Es muss darauf hingewiesen werden, dass bei medikamentösen Mehrfachkombinationen die Gefahr von Komplikationen (z. B. Atemdepression) steigt [7].

Ketamin wird als Medikament mit hohem Sicherheitsprofil beurteilt [8], allerdings muss auf die Nebenwirkung der Hypersalivation geachtet werden, die in weiterer Folge zu respiratorischen Komplikationen (z. B. Laryngospasmus) führen kann. Auch wenn die Datenlage keine Beweise liefert, dass die Kombination mit einem Anticholinergikum (Atropin oder Glycopyrrolat) diese Komplikationen verhindern kann, hat sich diese Vorgangsweise in der Praxis bewährt [9].

Neben der i.v. Applikation besteht für Opioide, Benzodiazepine und Ketamin, in entsprechender höherer Dosierung, auch die Möglichkeit der intranasalen Verabreichung (Tab. 1).

Tab. 1: Dosiertabelle intranasal

Auch wenn, wie eingangs erwähnt, keine Guidelines für die präklinische Analgosedierung existieren, lässt sich aus den vorhandenen Publikationen und unter Einhaltung der genannten Vorkehrungen und Anwendung der angeführten Medikamente die Möglichkeit einer effektiven und sicheren präklinische Analgosedierung ableiten.

Klinischer Bereich

Im klinischen Bereich gibt es viele diagnostische und interventionelle Eingriffe, die bei Kindern nur in einer Analgosedierung oder Narkose möglich sind. Bei der Auswahl des Verfahrens müssen neben Alter und Persönlichkeitsstruktur des Kindes sowohl die Art der Intervention als auch die Begleiterkrankungen berücksichtigt werden. Bei der Wahl der Medikamente spielen die Dauer des Eingriffs und das Ausmaß der benötigten Analgesie eine Rolle. Bei elektiven Eingriffen müssen eine zeitgerechte präoperative Untersuchung, eine Einwilligung und Dokumentation erfolgen sowie die Nüchternzeiten (6-4-3-1) eingehalten werden. In mehreren Publikationen wurden die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine sichere Analgosedierung bei Kindern abgesteckt [10, 11].

In Notfallambulanzen, bei kleineren Eingriffen auf der Bettenstation bzw. in der Umbettzone kommt es immer wieder zu belastenden Situationen für Eltern und Kind. Häufig können diese durch gezieltes Eingehen auf das Kind oder nichtmedikamentöse Verfahren wie zum Beispiel Hypnose ergänzt werden. Neben der intravenösen Gabe kommt dabei auch die intranasale Verabreichung [12] zum Einsatz, die nach ein- bis zweifacher i.v. Dosis eine Anschlagszeit von 5–10 min hat. Gerade bei den oft langen Untersuchungen im MRT spielt für die Wahl des Regimes neben dem Alter der Patient:innen die Erfahrung des Anästhesieteams eine entscheidende Rolle. Die folgenden Sedierungsschemata haben sich in einzelnen Abteilungen bewährt, sind aber nur als Vorschläge zu betrachten.

Analgosedierung für diagnostische und interventionelle Eingriffe

Im klinischen Alltag hat sich für die Sedierung im MRT ein Schema bewährt, dass seit 2006 bei mittlerweile 15.000 Kindern erfolgreich angewendet wurde [13]. Dieses Sedierungsschema beginnt mit Midazolam als Prämedikation. Danach wird Nalbuphin verabreicht, das die unwillkürlichen Bewegungen, die unter Propofol auftreten können, erfolgreich zu unterdrücken vermag [14]. Durch die sedierende Komponente von Nalbuphin kann die kontinuierliche Propofol-Dosierung auf einen sehr niedrigen Wert reduziert werden. Dies gewährleistet eine suffiziente Spontanatmung, sodass das Risiko von Bradypnoe/Apnoe minimiert werden kann.

MRT-Sedierungsschema:

  • Midazolam: 0,1 mg/kg i.v.
  • Nalbuphin: 0,1–0,2 mg/kg i.v.
  • Propofol: 1 mg/kg, repetitiv 0,5 mg/kg i.v.
  • danach Propofol: 5 mg/kg/h i.v.

Für CT-Untersuchungen, speziell mit der Verabreichung von Kontrastmittel, hat sich die alleinige Gabe von Midazolam und Nalbuphin sehr bewährt. Zusätzlich ermöglicht die optimale Neutrallagerung des kindlichen Kopfs, gestützt durch eine Nackenrolle, das sichere Offenhalten des Atemwegs [15]. Die optimale Ausstattung des Arbeitsplatzes (Kriterien der anästhesiologischen Arbeitsplatzsicherheit) ist Voraussetzung für eine sichere Sedierung bei Kindern [6].

Bei der Durchführung einer tiefen Sedierung für Eingriffe im Herzkatheter und bei der Versorgung von Brandverletzten muss man bedenken, dass diese Eingriffe schmerzhaft sind und daher auf eine ausreichende Analgesie zu achten ist. Im Herzkatheter hat sich folgendes Vorgehen bewährt:

Herzkatheter – Umbettzone:

  • Midazolam: 0,05–0,1 mg/kg plus S‑Ketamin: 0,5–1 mg/kg i.v.
  • oder Propofol: 0,5–1 mg/kg i.v.

Einleiten der Sedierung:

  • Piritramid: 0,05–0,1 mg/kg i.v.
  • Propofol: 1–3 mg/kg fraktioniert verabreicht

Aufrechterhaltung:

  • Propofol: 5–6 mg/kg/h plus Lokalanästhetikum am Punktionsort
  • Ibuprofen: 10 mg/kg i.v.

Monitoring: EKG, Pulsoxymetrie, RR-Messung, Kapnometrie

Bei brandverletzten Patient:innen ist bereits am Unfallort für eine auseichende Analgesie zu sorgen. Bei den wiederholten Verbandswechseln bei brandverletzten Patient:innen wird die Analgesie beim Einleiten der Sedierung (Schema wie Herzkatheter) durch langsames Verabreichen von 1–2 µg/kg Fentanyl sowie durch regelmäßiges Verabreichen von Ibuprofen (10 mg/kg) und/oder Metamizol (10 mg/kg) sowohl intra- als auch post-interventionell ergänzt.

Bei einem Krankenhausaufenthalt des Kindes und seiner Angehörigen ist der behandelnde Arzt oftmals mit Angst, Stress und der Annahme, dass etwas Schmerzhaftes passieren wird, konfrontiert. Mit dem Einsatz von Strategien der Ablenkung, verhaltenspsychologischen Interventionen oder Hypnose kann gezielt eine Linderung der Symptome und die notwendige Vertrauensbasis geschaffen werden [16].

Ein weiterer Aspekt bedarf der Umsetzung der Kinderrechte. Das bedeutet, dass die Kinder und ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Daher sollten diese selbstverständlich in unsere Behandlungsweise eingebettet sein, denn Kinder haben ein Recht auf Vermeidung von Schmerz, Angst und Stress [17].

Eine sichere Analgosedierung bedeutet, dass die Schutzreflexe erhalten bleiben. Es gibt die Möglichkeit, Tools aus der medizinischen Hypnose einzusetzen. Darunter versteht man, dass Sprache sowohl auf verbaler als auch auf nonverbaler Ebene richtig eingesetzt wird, um weniger Anästhetika zu benötigen.

Diese Form der Kommunikation kann als eine Art medizinische Behandlung gesehen werden, um Krankheiten positiv zu beeinflussen. Daher ist die Bezeichnung therapeutische Kommunikation dem Mediziner bereits nahe. Sie kommt grundsätzlich allen Patient:innen zugute, da sie sprachlich positiv besetzt, sehr wohlwollend und offen an das Unbewusste adressiert ist. In der Kinderanästhesie ist die hypnotische Kommunikation besonders wirkungsvoll, da Kinder die Voraussetzungen dafür mit sich bringen. Es kommt zum Einsatz von Suggestionen. Suggestion („suggerere“ heißt etwas vorschlagen) ist im hypnotischen Kontext als positive Beeinflussung von Fühlen, Denken und Handeln zu verstehen. Kinder haben eine hohe Suggestibilität, da sie eine hohe Bereitschaft haben, einen Handlungsvorschlag zu akzeptieren. Sie hinterfragen nicht, sondern nehmen das Gesagte als wahr und richtig an. Daher ist es sehr wichtig, sich den Kindern wahrheitsgetreu zuzuwenden, denn sie vertrauen grundsätzlich Erwachsenen und haben keine Schwierigkeiten damit, sich helfen zu lassen. Dies ist Teil ihres alltäglichen Geschehens.

Die hypnotische (therapeutische) Kommunikation geht wertschätzend mit den Patient:innen um. Sie passt sich dem Alter, dem Charakter und den Vorlieben der Kinder an, indem sie ressourcenorientiert vorgeht. Die Kinder werden in das Geschehen aktiv eingebunden und bekommen dadurch das Gefühl von Autonomie und Sicherheit vermittelt [18]. Das Gesprochene vermeidet emotional negativ besetzte Wörter wie „weh tun“ oder „Angst haben“ und auch die Kombination mit Verniedlichungen wie z. B. „ein bisschen“ oder „ein wenig“. Am Ende bleiben das Weh und die Angst. Anstelle dessen gibt es die Möglichkeit, es offen zu formulieren, wie z. B. beim Legen eines Venenzuganges: „Du wirst spüren, dass ich etwas mache!“

Erfolgt die Ablenkung mittels Spiels oder Films über einen Bildschirm (Tablet oder Handy), so ist es sehr wichtig, über dieses Tool mit dem Kind in Beziehung zu gehen und im entsprechenden Dialog zu bleiben.

Hier ist erwähnenswert, dass sich Menschen in Ausnahmesituationen wie einer Operation bereits in einem sehr suggestiblen (hypnotischen) Zustand befinden. Sie sind sehr stark auf sich fokussiert und es ist wichtig, für eine ruhige Umgebung zu sorgen [19]. Anästhesist:innen haben daher die Möglichkeit, sich Tools aus der Hypnose zu Nutze zu machen und die Patienten mittels therapeutischer Kommunikation zu begleiten [20].

erschienen in ANÄSTHESIE NACHRICHTEN 1/2024

Literatur
  1. Murphy A, et al. A prevalence and management study of acute pain in children attending emergency departments by ambulance. Prehosp Emerg Care. 2016;20(1):52–8.
  2. Hennes H, et al. Prehospital pain management: a comparison of providers’ perceptions and practices. Prehosp Emerg Care. 2005;9(1):32–9.
  3. Green SM, et al. An international multidisciplinary consensus statement on fasting before procedural sedation in adults and children. Anaesthesia. 2020;75:374–85.
  4. Chumpitazi CE, et al. Shortened preprocedural fasting in the pediatric emergency department. Am J Emerg Med. 2018;36(9):1577–80.
  5. Bath M. Association of preprocedural fasting with outcomes of emergency department sedation in children. JAMA Pediatr. 2018;172(7):678–85.
  6. Cote J, et al. Guidelines for monitoring and management of pediatric patients before, during, and after sedation for diagnostic and therapeutic procedures. Pediatrics. 2019;143(6).
  7. Roback MG, et al. Adverse events associated with procedural sedation and analgesia in a pediatric emergency department: a comparison of common parenteral drugs. Acad Emerg Med. 2005;12(6):508–13.
  8. Bredmose P, et al. Pre-hospital use of ketamine in paediatric trauma. Acta Anaesthesiol Scand. 2009;53(4):543–5.
  9. Brown L, et al. Adjunctive atropine is unnecessary during ketamine sedation in children. Acad Emerg Med. 2008;15(4):314–8.
  10. Röher K, Becke-Jakob K, Eich C. Safety and quality in paediatric procedural sedation: what really matters? Curr Opin Anaesthesiol. 2023;36(3):340–6.
  11. Zielinska M, Bartkowska-Sniatkowska A, Becke K, et al. Safe pediatric procedural sedation and analgesia by anesthesiologists for elective procedures: a clinical practice statement from the European society for paediatric anaesthesiology. Paediatr Anaesth. 2019;29(6):583–90.
  12. Pansini V, Curatola A, Gatto A, et al. Intranasal drugs for analgesia and sedation in children admitted to pediatric emergency department: a narrative review. Ann Transl Med. 2021;9(2):189.
  13. Machata AM, Willschke H, Kabon B, Kettner SC, et al. Popofol-based sedation regimen for infants and children undergoing ambulatory magnetic resonance imaging. Br J Anaesth. 2008;101(2):239–43.
  14. Borgeat A, Fuchs T, Wilder-Smith O, Tassonyi EJ. The effect of nalbuphine and droperidol on spontaneous movements during induction of anesthesia with propofol in children. Clin Anesth. 1993;5(1):12–5.
  15. Eich CB, Klingebiel E, Herrmann M. Well known but often forgotten. Effect of a neck roll on airway patency in deeply sedated children. Anaesthesist. 2011;60(3):265–6.
  16. Uman LS, Chambers CT, et al. Psychological interventions for needle-related procedural pain and distress in children and adolescents. Cochrane Database Syst Rev. 2006;(4)CD005179.
  17. Weiss M, Machotta A. Qualität und sichere Anästhesie für alle Kinder. Anaesthesist. 2022;71:255–63.
  18. Zech N, Seemann M, Signer-Fischer S, et al. Kommunikation mit kindern. Anaesthesist. 2015;64:197–207.
  19. Hansen E, Zimmermann M, Dünzl G. Hypnotische Kommunikation mit Notfallpatienten. Notfall Rettungsmedizin. 2010;13:314–21.
  20. Hansen E, Bejenke C. Negative und positive Suggestionen in der Anästhesie – Ein Beitrag zu einer verbesserten Kommunikation mit ängstlichen Patienten bei Operationen. Anaesthesist. 2010;59:199–209.