70 Jahre ÖGARI: Aus Liebe für das Fach

„Nur was man gerne macht, macht man auch gut“, sagt Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Mayrhofer-Krammel. Die Anästhesie Nachrichten-Redaktion traf den ÖGARI-Gründungspräsidenten und Begründer der modernen Anästhesiologie in Österreich gemeinsam mit einem seiner ersten Schüler, Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz X. Lackner, zum großen Interview anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Fachgesellschaft.

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Mayrhofer-Krammel, Gründungspräsident der ÖGARI (sitzend) und sein ehemaliger “Student”, der spätere ÖGARI-Schriftführer Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz X. Lackner

Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, Sie feiern wenige Tage vor Erscheinen dieses Interviews Ihren 101. Geburtstag. Erlauben Sie mir – bevor wir auf die Jubilarin ÖGARI zu sprechen kommen – eine ganz persönliche Frage: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Nun, körperlich fühle ich mich tatsächlich wie ein 100-Jähriger, das Gehen fällt schwer, der Rollstuhl ist mein stetiger Begleiter. Geistig fühle ich mich aber noch ein bisschen jünger.

Die Pandemie hat unser aller Leben in den vergangenen zwei Jahren geprägt und wird dies vermutlich noch längere Zeit tun. Wie beurteilen Sie den Umgang mit der Pandemie?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Ich war einer der Ersten in Öster­reich, der sich impfen ließ, habe für meine Vorreiterrolle trotz meines hohen Alters sogar ein offizielles Dankesschreiben der Bundesregierung bekommen. Wahrscheinlich werde ich schon sehr bald eine dritte Impfung erhalten. Was sein muss, muss eben sein. Das war für mich selbstverständlich. Sich impfen zu lassen ist alternativlos, es gibt keine andere wirk­same Möglichkeit, um die Pandemie einzudämmen. Daher kann ich Impfgegner nicht verstehen, ihre Weigerung ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar.

Prof. Lackner: Ich habe vor kurzem den aktuellen ÖGARI-Präsidenten und meinen lieben Freund Prof. Hasibeder im Radiointerview gehört und war sehr begeistert von seinen Aussagen, die genau den Kern des Problems getroffen haben. Ich habe nach meiner Pensionierung Philosophie studiert und stimme mit Hasibeder völlig überein, wenn er sagt: Die Freiheit des Einzelnen endet immer dort, wo die Freiheit der anderen eingeschränkt wird. Ich habe daher keinerlei Ver­ständnis für jene, die meinen, sich die Freiheit herausnehmen zu können, sich nicht impfen zu lassen, ohne zu wissen, dass sie damit direkt die Freiheit der anderen einschränken.

Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, Ihr Medizinstudium haben Sie zwar in Wien gemacht, Ihre anästhesiologische Grundausbildung anschließend aber in Großbritannien, später Ihre Fachausbildung in den USA. Was waren damals die Gründe, ins Ausland zu gehen?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Es war zu diesem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit, moderne Anästhesiologie zu erlernen, in Mitteleuropa ging das damals noch nicht. Die meisten Länder waren knapp nach dem Krieg noch nicht von den bahnbre­chenden Errungenschaften und Entwicklungen der Anästhe­siologie erfasst worden. Es gab lediglich zwei Anästhesisten, die noch während des Krieges mit dem Schiff in die USA gereist waren, um sich vom „Urvater“ der Anästhesie, Prof. Ralph Milton Waters, ausbilden zu lassen: Das waren Torsten Gordh aus Stock­holm, der Vater der skandinavi­schen Anästhesie, und der Schweizer Werner Hügin aus Basel. Hügin war anschließend dann der Lehrer von Ru­dolf Frey aus Hei­delberg, der die moderne Anästhesiologie erstmals in Deutschland propagierte.

Im Frühjahr 1947 nahm eine US-Ärzte­gruppe Kontakt mit den medizinischen Fakultäten in Österreich auf. Vertreter dieser Gruppe kamen bald darauf nach Wien, später auch nach Graz und Inns­bruck, um im Rahmen einer Vortragsreihe über die Fortschritte, die in den USA während des Krieges in der Anäs­thesie erzielt worden waren, zu berichten. Diese Fortschritte betrafen vor allem die Thoraxchirurgie. Mit der bei uns damals etablierten Äthertropfen- Narkose hatte man keine Möglichkeit, die Atmung zu kontrollieren. Aus diesem Grund waren intrathorakale Eingriffe gar nicht oder nur sehr eingeschränkt mög­lich, weil die Patientinnen und Patienten nicht ausreichend spontan atmen konn­ten. Wir hatten das an unserer Klinik ver­sucht, indem wir den Patientinnen und Patienten zwei oder drei Tage vor der Operation Luft auf der zu operierenden Lungenseite einbliesen, womit die Lunge quasi außer Betrieb gesetzt wurde und die Patientinnen und Patienten „lern­ten“, mit der anderen, der gesunden, Lungenseite weiterzuatmen. So konnte man in der Folge zumindest sehr kurze Eingriffe durchführen, weil die Patien­tinnen und Patienten es schon gewohnt waren, mit der nicht geöffneten Lungen­seite zu atmen.

DER „WATERS-KANISTER“

Wir hatten damals zwar auch schon ein­fache Narkoseapparate mit Lachgas und Äther, die amerikanischen Gastärzte brachten aber eine völlig neue Art von Narkosegerät mit nach Wien, den sogenannten „Waters-Kanister“, benannt nach seinem Entwickler, dem bereits erwähnten Begründer der modernen Anästhesiologie. Der „Waters-Kanis­ter“ funktionierte – wie man in Wien sagt – watscheneinfach: ein Zylinder mit einem Fassungsvermögen von einem halben Liter und zwei Öffnungen auf beiden Seiten mit Drehverschlüssen, damit man einen Absorber einfügen konnte, der die Kohlensäure resorbiert. An der Rückseite des Kanisters wurde ein Schlauch mit einem Atembeutel befestigt, damit konnte die Atmung der Patientinnen und Patienten unterstützt oder auch ganz übernommen werden. Mithilfe dieses Apparates wurden Intubationsnarkosen gegeben, die man bis dato bei uns noch gar nicht gekannt hatte – ein einfaches wie geniales Prin­zip: Ein Gummischlauch wurde in die Luftröhre eingeführt und abgedichtet. Somit konnte man die Atmung, wenn sie spontan war, beobachten oder mit­hilfe des Atembeutels auf der anderen Seite des Zylinders händisch unterstüt­zen oder übernehmen, wenn sie ausfiel oder absichtlich ausgeschaltet wurde.

Die Intubationsnarkose ermöglichte somit erstmals Operationen am offe­nen Thorax. Das hat mich fasziniert. Ursprünglich war ich an die chirurgische Klinik gekommen, um selbst Chirurg zu werden. Der damalige Klinikchef Prof. Denk war ebenfalls fasziniert und daher sehr dankbar, als ich ihm spontan anbot, sofort ins Ausland zu gehen, um die moderne Anästhesie zu erlernen. Weil eine solche Ausbildung in den USA nur mit Verzögerung möglich gewesen wäre, vermittelte mir Prof. Denk dar­aufhin ein sechsmonatiges Stipendium in Großbritannien, wo ich unmittelbar mit der Ausbildung beginnen konnte.

Am 1. Oktober 1947 reiste ich nach London. Anfang April 1948 kam ich mit viel Wissen im Gepäck und einem britischen Narkoseapparat zurück nach Wien. Zu dieser Zeit begannen auch andere Länder gerade damit, ähnliche Narkosegeräte zu entwickeln und zu bauen, zuerst in Skandinavien, bald darauf auch in Deutschland. Nachdem ich das Erlernte an eine Gruppe von Kollegen weitergegeben hatte, die ab diesem Zeitpunkt an der chirurgischen Klinik in Wien intubieren und beatmen konnten, ging ich im Juli 1949 für die weitere Fachausbildung in die USA. Ursprünglich für ein Jahr angesetzt, dauerte es dann bis Oktober 1950, bis ich wieder zurück nach Wien kam.

Fast exakt ein Jahr nach Ihrer Rückkehr wurde auf Ihre Initiative hin am 19. Oktober 1951 die Österreichische Fachgesell­schaft für Anästhesiologie gegründet. Was war die Intention?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Vordring­liches Ziel war es, Ausbildungsrichtlinien für eine moderne Anästhesie für Öster­reich zu entwickeln und auf dieser Basis eine Facharztausbildung zu etablieren. Es gab inzwischen an den großen hei­mischen Kliniken einige Anästhesisten mit entsprechender Ausbildung, die sich gemeinsam dafür engagierten. Wie für alle anderen Fachrichtungen wurde schließlich ein Ausbildungs-Curriculum für sechs Jahre erarbeitet.

Die neue Fachgesellschaft startete mit 40 Mitgliedern, die einen Mitgliedsbei­trag von 20 Schilling einzahlten, um die Anmeldung finanzieren zu können. Wir hatten damit eine der ersten Anästhe­sie-Fachgesellschaften in Europa über­haupt gegründet, etwas früher dran war man nur in Skandinavien (1950), die Schweiz und Deutschland folgten erst in den darauffolgenden Jahren.

Prof. Lackner: Die erste Anästhesie-Gesellschaft weltweit wurde 1905 in den USA gegründet, die Long Island Society of Anesthetists. Die US-weite offizielle Fachgesellschaft startete 1934, Prof. Emery Andrew Rovenstine und Waters waren ihre ersten Präsidenten.

Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, Sie waren dann im Laufe der 1960er, 70er und zu Beginn der 80er Jahre noch vier weitere Male ÖGARI-Präsident, an wel­che Entwicklungsschritte erinnern Sie sich zurück?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Wir haben sehr früh begonnen, einmal im Jahr einen führenden internationalen Experten als Gastreferenten zu unserer Jahrestagung einzuladen, anfangs vorwiegend aus Skandinavien und Deutschland. Außer­dem haben wir schon bald kurze vier­tägige Fortbildungskurse angeboten, die auch Kollegen aus anderen Ländern, vor allem Kollegen aus unseren damals abgeschirmten osteuropäischen Nach­barländern, ermöglichten, nach Öster­reich zu kommen, um sich ausbilden zu lassen. Später folgten sechsmonatige Fachausbildungen, die zuerst von Kol­leginnen und Kollegen aus Ungarn trotz des sogenannten Eisernen Vorhangs besucht werden konnten.

Prof. Lackner: Die Gesellschaft wurde als Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie gegründet und dann in zwei Schritten erweitert: zuerst als Österreichische Gesellschaft für An­ästhesie und Reanimation, später als Österreichische Gesellschaft für Anäs­thesiologie, Reanimation und Intensiv­medizin, ÖGARI. Die Schmerzmedizin folgte etwas später, die Palliativmedizin ist die jüngste der fünf ÖGARI-Säulen. Die von Prof. Mayrhofer-Krammel initi­ierte Integration der Intensivmedizin als zusätzliche Säule der Gesellschaft war ein strategisch wichtiger Schritt, um den Stellenwert des Faches zu stärken. Die Einbeziehung der Intensivmedizin, die bis zu diesem Zeitpunkt bei den Internis­ten angesiedelt war, erfolgte als Konse­quenz der Errichtung der ersten beiden direkt an die Chirurgie angeschlossenen Intensivstationen 1963 und 1967.

SELBSTEXPERIMENTE

Anfang der 1950er Jahre haben Sie, Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, Selbstexpe­rimente mit Muskelrelaxanzien durchgeführt. Wie kam es dazu? Waren Selbst­experimente damals für die medizinische Weiterentwicklung erforderlich?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Mein Habili­tationsthema lautete: Anästhetika und Fragen der Intubation für die Lungen­beatmung. Dafür war es notwendig, Muskeln zu erschlaffen, heute würde man sagen, zu relaxieren. Curare war eines der ersten Mittel, die uns dafür zur Verfügung standen. Es wirkte allerdings verzögert und es wirkte lange, wies zudem ein hohes Risiko- und Nebenwirkungspotenzial auf. Außerdem wurde es aus Pflanzenextrakt herge­stellt, was die Produktion entsprechend aufwendig machte. Aus all diesen Grün­den waren wir auf der Suche nach einem rasch wirkenden und kurz anhaltenden Muskelrelaxans, das Curare ersetzen könnte. Eher zufällig stießen wir bei die­ser Suche auf Substanzen, die von den damaligen Stickstoffwerken Linz, spä­ter Chemie Linz, synthetisiert worden waren und in Tierexperimenten eine auffällig kurzzeitige muskellähmende Wirkung gezeigt hatten. Drei Subs­tanzen mit den Bezeichnungen M411, M114 und M115, von denen wir also wussten, dass sie bei Tieren für fünf bis zehn Minuten zur Volllähmung geführt hatten, kamen in die engere Wahl für unsere Selbstversuche. Im Dreierteam versuchten wir, jene Substanz heraus­zufiltern, die sich am besten für unsere Zwecke eignete. Außerdem mussten wir die geeignete Dosis finden und kli­nisch erproben. Einer von uns drei war das Versuchskaninchen, einer hatte die Aufgabe, das Versuchskaninchen mit der Beatmung am Leben zu erhalten, der Dritte kontrollierte die Vitalwerte und protokollierte.

Die Substanz, die wir schließlich experi­mentell herausforschten, war Succinylcholin. Wir veröffentlichten unsere Ergebnisse 1951 in der Wiener Klinischen Wochenschrift unter dem Titel „Kurz wirkende Muskelerschlaffungsmittel – Selbstversuche und klinische Erprobung am narkotisierten Menschen“. Auf­grund des großen internationalen Inte­resses publizierten wir im darauffolgen­den Jahr auch im British Medical Jour­nal unter dem Titel: „Self-Experiments  with Succinylcholine Chloride – a New Ultra-Short-Acting Muscle Re­laxant“.

Auf Basis unserer Erkenntnisse brach­ten die Stickstoffwerke Linz das Präpa­rat Lysthenon auf den Markt. Lysthenon wurde daraufhin rasch und für lange Zeit zur führenden Substanz für die Intubation. Ich habe dafür nie einen Groschen bekommen. Es war reine Wis­senschaft, was wir betrieben haben. Selbstversuche waren die beste Mög­lichkeit, um die geeignete Dosierung zu finden, bevor man es bei Patientinnen und Patienten einsetzt.

Prof. Lackner: Harmlos waren solche Selbstexperimente nicht. Immerhin führte der Einsatz der Substanzen zu einer vollen oder partiellen Lähmung. Daraus ergaben sich zwei Probleme: Die Zeit der Nichtatmung musste überbrückt werden und man kannte die Nebenwirkungen der Substanzen auf den menschlichen Organismus nicht.

ROVENSTINE LECTURE

Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, aufgrund Ihrer wissenschaftlichen Erfolge und Ihrer klinischen Arbeit haben Sie sich welt­weit als Anästhesiologie-Experte einen Namen gemacht, waren unter anderem Präsident der World Federation of Socie­ties of Anaesthesiologists (WFSA) und international sehr aktiv.

Prof. Mayrhofer-Krammel: 1975, wäh­rend meiner Präsidentschaft, hatte ich die große Ehre, auf Einladung der amerikanischen Fachgesellschaft als einer der ersten Nicht-Amerikaner überhaupt in Washington vor 2.500 bis 3.000 Anästhesistinnen und Anäs­thesisten aus aller Welt die sogenannte Rovenstine Lecture zu halten, benannt nach dem Gründungspräsidenten der Fachgesellschaft. Unter dem Eindruck meines vorherigen China-Aufenthal­tes, wo wir Operationen unter Aku­punktur miterlebt und die Patienten qualvoll leiden gesehen hatten, gab ich meinem Vortrag den Titel: „Can Chi­nese acupuncture even become a part of the work of anesthesiologists?“ Ich bin darin zu dem Schluss gekommen, dass Akupunktur zwar als begleitende Schmerztherapie angewandt werden kann, niemals aber Teil der modernen Anästhesie sein wird.

ANWÄLTE UND BESCHÜTZER DER PATIENTEN

Kommen wir zurück in die Gegenwart: Kaum ein medizinisches Fach ist so breit wie die Anästhesiologie mit ihren fünf Säulen. Dennoch wird es zunehmend schwer, genügend Jungärztinnen und Jungärzte zu finden, die sich für eine Facharztausbildung entscheiden. Woran liegt das?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Das kann ich nicht beantworten. Solange ich Chef der Klinik war, hatten wir nie ein Nachwuchsproblem, im Gegenteil. Das Wichtigste ist immer, dass man eine Liebe für das Fach mitbringt. Denn nur, was man gerne macht, macht man auch gut. Als Anästhesist ist man immer auch Diener zweier Herren: Man soll den Chirurgen alle Möglichkeiten eröffnen und andererseits die Patientinnen und Patienten schützen.

Prof. Lackner: Ich bezeichne uns Anästhesisten gerne als An­wälte der Patientinnen und Patienten. Der Chirurg hat eher seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Möglichkeiten im Fokus, weniger die Schwächen der Patienten. Auf diese Schwächen müssen wir Anästhesistinnen und Anästhesisten achtgeben.

Sie haben sich intensiv mit dem Thema Ethik in der Medizin aus­einandergesetzt, u. a. auch zu ethischen Konflikten publiziert. Welchen Stellenwert hat die Ethik in der modernen Medizin? Werden die Studierenden auf ethische Fragestellungen aus­reichend vorbereitet?

Prof. Lackner: Ich bin über die Intensivmedizin zur Ethik gekommen. Mit dem 1995 entwickelten neuen Ausbildungs- Curriculum ist es uns ganz gut gelungen, die Ethik im Medizinstudium als wichtigen Bereich zu etablieren. Aufgrund der durch das Klinisch-Praktische Jahr bedingten Kürzungen ist einiges davon später leider wieder verloren gegangen. Wir bemühen uns aber sehr, ethischen Fragestellungen ent­sprechenden Raum für eine kritische Auseinandersetzung zu geben. Es gibt zahlreiche Initiativen, um ethische Aspekte in die Aus- und Weiterbildung zu integrieren, unter anderem einen Arbeitskreis mit dem Josephinum und der Akademie der Wissenschaften – oder auch eine sehr aktive Arbeits­gruppe innerhalb der ÖGARI. Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen sehe ich als eine absolute Not­wendigkeit und große Chance für die ÖGARI gleichermaßen, die aus meiner Sicht unter Präsident Hasibeder auch sehr gut wahrgenommen wird.

Herr Prof. Mayrhofer-Krammel, Sie sind Ehrenmitglied zahlrei­cher Anästhesiegesellschaften weltweit, u. a. in Russland, Aus­tralien, Kuba oder Bolivien, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie haben darüber hinaus zahlreiche Ehrungen erhalten, neben diversen Ehrendoktoraten auch das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien oder das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich. Welchen Wert haben Ehrungen für Sie?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Ehrenzeichen tun der Seele schon gut. Mein Chefzimmer am AKH war an drei Wänden voll mit Ehrenurkunden, die vierte Seite war die Fensterseite. Besondere Highlights sind sicher meine Vollmitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften, nicht nur in der öster­reichischen, sondern auch in der deutschen, und meine vier Ehrendoktorate.

Auch die ÖGARI hat Sie anlässlich Ihres 100. Geburtstages im Vorjahr im Rahmen ihrer Jahrestagung geehrt. Ist noch ein Wunsch offengeblieben?

Prof. Mayrhofer-Krammel: Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn die von mir gegründete Gesellschaft nach mei­nem Tod zu ihrer Jahressitzung jeweils einen internationalen Gastvortragenden nach dem Vorbild der Rovenstine Lecture zu einer „Mayrhofer-Gedächtnis-Vorlesung“ einladen würde. Das wäre schön.


© Österreichische Nationalbibliothek

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult.
OTTO MAYRHOFER-KRAMMEL

Geboren am 2. November 1920
in Wien
Medizinstudium in Wien,
Promotion zum Dr. med. 1944
Pathologie bei Hermann Chiari
und Chirurgie bei Wolfgang Denk
bis 1947
Anästhesie-Grundausbildung in
London und Glasgow (Magill,
Gray und Epstein)
Fachausbildung am Columbia-
Presbyterian, New York
(Emanuel Papper)
Fellow of the American College
of Anesthesiologists 1950
Habilitation an der Universität
Wien 1955
Lehrbeauftragter und Leiter der
klinischen Anästhesieabteilung
Neue Kliniken AKH 1958
a. o. Professor und Vorstand des
Institutes für Anästhesiologie der
Universität Wien 1961, ordentlicher
Professor 1967
Präsident der Wiener
Medizinischen
Akademie 1976
Präsident der World Federation of
Societies of Anaesthesiologists 1972
Prodekan der Medizinischen
Fakultät der Universität Wien 1976
Emeritiert 1991

© Volkmar Weilguni

Univ.-Prof. Mag. Dr. FRANZ X. LACKNER, F.A.C.A.
Geboren am 27. Juni 1938 in Horn
Studium an der Medizinischen
Fakultät
der Universität Wien,
Promotion zum Dr. med. 1963
Fachausbildung Anästhesie am
AKH Wien: Facharzt 1969
Chief Resident am Montefiore
Hospital
MC des Albert Einstein
College of Medicine, New York 1971
Fellow of the American College
of Medicine (F.A.C.A.) 1972
Habilitation im Fach Anästhesiologie
an der Universitätsklinik
in Wien 1976
Leitung der Anästhesie und Intensivabteilung
des Kinderkrankenhauses
Mofid in Teheran/Iran 1977
Oberarzt und Bereichsleiter
AKH Wien bis 1993
Stellvertretender Klinikvorstand
der Klinik für Anästhesie und
Allgemeine Intensivmedizin Wien
ab 1994
Stellvertretender Vorsitzender
der Ethikkommission der Wiener
Medizinischen Fakultät 1996
Chairman des Ethikkomitees und
Board Member von Eurotransplant
Leiden
President der American Medical
Society of Vienna 1998
Ruhestand 2000

DIE ÖGARI-PRÄSIDENT*INNEN
1951–1953 Otto Mayrhofer-Krammel
1953–1954 Rudolf Kucher
1954–1955 Volkmar Feurstein
1955–1956 Hans Bergmann
1956–1957 Karl Steinbereithner
1957–1958 Bruno Haid
1958–1959 Otto Mayrhofer-Krammel
1959–1960 Rudolf Kucher
1960–1961 Volkmar Feurstein
1961–1962 Hans Bergmann
1962–1963 Karl Steinbereithner
1963–1964 Bruno Haid
1964–1965 Rudolf Kucher
1965–1966 Erich Edlinger
1966–1967 Otto Mayrhofer-Krammel
1967–1968 Volkmar Feurstein
1968–1969 Alexander Benke
1969–1970 Hermann Millonig
1970–1971 Karl Steinbereithner
1971–1972 Josef Kapferer
1972–1973 Otto Mayrhofer-Krammel
1973–1974 Hans Bergmann
1974–1975 Herbert Benzer
1975–1976 Ilse Remes
1976–1977 Ludwig Bochdansky
1977–1978 Karl Steinbereithner
1978–1979 Theodora Neubauer

Bericht: Mag. Volkmar Weilguni

Erschienen in den Anästhesie Nachrichten 4/2021