Zerebrale Ischämie nach Schulteroperation in „Beach Chair“-Position

Aus der Serie “Der interessante Fall

von Bruno Marsili (1) und Claus Michael Stock (2)

1 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
2 Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Krankenhaus Spittal/Drau

© Frogman1484 / Getty Images / iStock
Hintergrund

Die Schulterarthroskopie hat sich in den letzten Jahrzehnten als praktikable operative Wahl für diagnostische Zwecke und zur Behandlung von Schulterpathologien erwiesen. Die klinischen Erfolgsraten chirurgischer Eingriffe steigen mit der Erfahrung der Operateure im arthroskopischen Bereich und natürlich mit den neuen verwendeten Materialien und Techniken. Je nach Wahl des Operateurs wird der operative Eingriff in Liegestuhl-(„Beach Chair“) oder Seitenlage durchgeführt. Die Liegestuhlpositionierung hat einige Vorteile bei der Exploration der Gelenke, bei der intraoperativ mühelosen Gewichtskontrolle der Extremitäten und sie verringert das Risiko einer Verletzung des Plexus brachialis oder einer postoperativen durch Druck auf den Augapfel verursachten Beeinträchtigung der Sehleistung. Zu den Komplikationen im Zusammenhang mit der Seitenlage gehören auch Traktionsverletzungen, thromboembolische Ereignisse und Schwierigkeiten beim Atemwegsmanagement. Auch in der neueren Literatur wird heftig darüber diskutiert, welche Position für die arthroskopische Behandlung der Schulter die beste ist. (Anmerkung: Soweit wir wissen, ist dies der erste Fall in unserer Klinik mit Symptomen einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA), der in Liegestuhlposition operiert wurde).

Anatomie

Der Circulus arteriosus cerebri wird von zwei großen, paarig angelegten Arterien gespeist und bildet um den Hypophysenstiel herum einen Arterienkreis, der das gesamte Gehirn versorgt. Das Blut für die vorderen Abschnitte wird von den beiden Arteriae carotis internae zugeführt, das für die hinteren Abschnitte von den zwei Arteriae vertebrales. Über Verbindungsarterien sind beide zuführenden Arterien miteinander verbunden und bilden einen Kreislauf. Dieser Kreislauf kann im Falle eines Gefäßverschlusses als Kollateralkreislauf dienen. Ob ein Verschluss kompensiert werden kann, hängt allerdings stark von der Größe der betroffenen Arterie ab. Vom Circulus arteriosus cerebri gehen außerdem für die Versorgung des Groß- und Zwischenhirns die drei großen Hirnarterien (Arteria cerebri anterior, Arteria cerebri media, Arteria cerebri posterior) ab. Kommt es zu einer Störung der Durchblutung (ischämischer Schlaganfall) im Rahmen von Gefäßverschlüssen oder Blutungen, die nicht kompensiert werden kann, kann dies innerhalb weniger Minuten zu irreversiblen Schäden führen.

Ein Verständnis der Versorgungsgebiete ist daher wichtig, um auftretende Ausfallssymptome einer Gehirnarterie zuordnen zu können. Die Venen des Gehirns sammeln sich in großen Sammelbecken, den Sinus durae matris, von wo aus das Blut anschließend ins Herz oder in die Rückenmarksvenen abfließt.

Falldarstellung

Ein gesunder 58-jähriger Patient wurde unserer Klinik mit einem Rechtsschulter-Impingement-Syndrom vorgestellt. Das Physiotherapie- und Rehabilitationsprogramm wird postoperativ durchgeführt. Seine Schulterbewegung war aufgrund der Schmerzen eingeschränkt. Die rechte Schulter zeigte eine Arthrose des Akromioklavikulargelenks, eine subakromiale Bursitis und eine partielle Ruptur der Supraspinatussehne als Ergebnis einer Magnetresonanztomographie (MRT). Aufgrund der Symptome, der körperlichen Untersuchung und des Screenings wurde eine Operation geplant.

Anästhesie und Lagerung

Im Holding Area erfolgte eine ultraschallgezielte, interskalenäre Plexusblockade mit Anlage eines Katheters zur postoperativen Schmerztherapie.

Im Operationssaal umfasste die Überwachung: Elektrokardiogramm, nichtinvasiven Blutdruck (NIBP), Pulsoximetrie (SpO2), Bispektralindex (BIS), neuromuskuläre Übertragung oder „Train of four“ (TOF) und regionale O3-Oxymetrie. Wir verwendeten einen 18-Gauge-Katheter, um isotonische Lösung (5–10 ml/kg/h) intravenös zu infundieren. Die Anästhesie wurde mit IV Fentanyl 2 μg/kg, Propofol 2 mg/kg eingeleitet. Die endotracheale Intubation wurde durch intravenöses Rocuroniumbromid 0,5 mg/kg erleichtert. Zur Aufrechterhaltung der Anästhesie erhielt der Patient 2 % Sevofluran in einer Mischung aus 45 % Luft und 60 % O2.

Die Operation wurde unter Vollnarkose durchgeführt. Der Patient wurde in Rückenlage endotracheal intubiert. Er stand in einem 45-Grad-Winkel zum Boden, die Hüften waren um 60 Grad und die Knie um 30 Grad gebeugt. Der Kopf und der Halsbereich wurden fest in einer hufeisenförmigen Kopfstütze in einer neutralen Position gelagert.

Postoperative Nachsorge

Während der Aufwachphase öffnete der Patient die Augen, schluckte, die TOF markierte einen Wert von über 95 % und man ging dann zur Extubation über. Unmittelbar danach erschien der Patient in einem völlig paralytischen klinischen Zustand, ohne Reaktion auf äußere Reize, trotz normaler Vitalparameter. Während des Transports in den Aufwachraum reagierte der Patient auf die verursachten Schmerzen. Ein Notfall-CT schloss eine Hirnblutung und die Anwendung von Kontrastmitteln einen Schlaganfall aus. Der Patient wurde für weitere Tests und kontinuierliche Unterstützung auf die Intensivstation transportiert, um jegliche klinische Verschlechterung/Verbesserung zu überprüfen. Nach einigen Stunden war der Patient wieder bei Bewusstsein, litt unter Schwindel, leichtem Nystagmus und Kollapsgefühl. Die am Tag nach der Operation durchgeführte EEG-Untersuchung zeigte Anzeichen einer kortikalen und subkortikalen Reizung. Die Symptome begannen sich bereits am Abend nach der Operation zu erholen und gingen innerhalb von einer Woche vollständig zurück.

Diskussion

Die Schulterarthroskopie wird in „Beach Chair“ oder Seitenlage durchgeführt. Die Wahl der Lagerung hängt von den Vorlieben des Chirurgen ab, was seine Vor- und Nachteile hat. Die Beach-Chair-Lagerung wird verwendet, um das Glenohumeralgelenk mit weniger Aufwand genau zu beurteilen und subakromiale Pathologien durch bessere Sichtbarkeit zu diagnostizieren. Das Komplikationsrisiko nach arthroskopischen Eingriffen beträgt weniger als 1–8 %. Laut vorhandener Literatur wurden Nervenverletzungen mit weniger als 0,1 % angegeben. Einige neurologische und thromboembolische Komplikationen wurden bei der Schulterarthroskopie in Liegestuhlpositionierung berichtet. Ein Teil der lebenswichtigen Komplikationen, die bei Patient:innen berichtet wurden, die sich einer Operation in Liegestuhlposition unterzogen, sind Rückenmarksinfarkt und Tetraplegie im mittleren Halsbereich. Der vordere zerebrale Kreislauf ist aufgrund seiner anatomischen Route einer direkten Kompression ausgesetzt und anfällig für Ischämie. In unserem Fallbericht wurde eine hufeisenförmige Kopfstütze während der Positionierung verwendet und die transitorische ischämische Attacke der Arteria vertebralis war mit einer Dehnung aufgrund einer nach rechts abweichenden Kopffehlstellung und einer Kompression des M. sternocleidomastoideus verbunden. Die regionale O3-Oxymetrie ergab während der gesamten Operation normale Parameter. Die Diagnose basierte auf den Symptomen des Patienten und dem Ort der Symptome. Die vom Neurologen interpretierte EEG-Untersuchung, zusätzlich zum radiologischen Befund, bestätigte unsere Diagnose. Eine Einverständniserklärung wurde vom Patienten unterschrieben.

In der Schulterchirurgie sollte großer Wert darauf gelegt werden, die Lagerung der Patient:innen während der Operation zu überprüfen, um das Risiko von Komplikationen zu vermeiden, insbesondere bei Operationen mit längerer Dauer, unter Vollnarkose, während Patient:innen auf dem Liegestuhl liegen. Besonderes Augenmerk sollte auf den Kopf- und Halsbereich gelegt werden, indem die Kopfstütze zusätzlich gepolstert oder eine Hufeisenkopfstütze verwendet wird, um die Kompression auf den Plexus cervicalis und den Ohrbereich zu minimieren.

Wir empfehlen auch eine umfassende Überwachung der Patient:innen während der Vollnarkose, insbesondere die Überwachung der regionalen O3-Oxymetrie, um das sich überschneidende Risiko einer verminderten zerebralen Perfusion einhergehend mit Hypotonie, die durch Positionierung und Anästhesie verursacht wird, zu vermeiden.

Erschienen in Anästhesie Nachrichten 2/23