NEXT GENERATION Intensivmediziner:innen

Serie ARGE Junge Anästhesie

Dieser Beitrag soll sich an alle Intensivmediziner:innen wenden: Auszubildenden möchten wir gerne die Hand reichen, um eine Kommunikationsbasis zu schaffen und die Ausbildung im Sonderfach Intensiv- und Notfallmedizin zu optimieren, und unseren Ausbildner:innen wollen wir anschaulich machen, was uns junge Intensivmediziner:innen an der Intensivmedizin begeistert und was wir uns im Rahmen unserer Ausbildung wünschen.

© privat

von Dr. Martina Hermann im Namen der jungen Intensivmediziner:innen

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Die jungen Intensivmediziner:innen

Diesen Beitrags haben folgende „junge Intensivmediziner:innen“ mitgestaltet:
Mathias Schneeweiß-Gleixner1, Elisabeth Lobmeyr-Längle2, Nina Buchtele3 (alle ÖGIAIN NEXT)
Martina Hermann4Nina Buchtele3Erwin Grasmuk-Siegl5 (alle Young FASIM)
Erwin Grasmuk-Siegl5 (Young-Expert der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie – ÖGP)
1Universitätsklinik für Innere Medizin III, Intensivstation 13H1, Medizinische Universität Wien
2Universitätsklinik für Notfallmedizin, Medizinische Universität Wien
3Universitätsklinik für Innere Medizin I, Intensivstation 13i2, Medizinische Universität Wien
4Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien
5Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie KH Nord-Klinik Floridsdorf

Warum eigentlich Intensivmedizin?

Belastende Situationen, Stress, wenig Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung und die Bindung an ein Krankenhaus – und dennoch sind wir Intensivmediziner:innen engagiert, motiviert und erfüllt, jeden Tag am Bett unserer kritisch kranken Patient:innen zu stehen. Was ist es dann, was uns Junge so an diesem Fachbereich begeistert?

Vielfalt und Abwechslung

Aufgrund der Komplexität von Erkrankungen, die eine intensivmedizinische Betreuung notwendig machen, ist es essenziell, ein Grundverständnis über alle Organsysteme des menschlichen Körpers zu entwickeln. Somit reicht der intensivmedizinische Einblick teilweise bis tief in die Innere Medizin hinein. Des Weiteren sind viele Bereiche der Anästhesie und Notfallmedizin ebenfalls fixer Bestandteil jeder Intensivstation. Das geht vom Management akuter Notfälle, über alle Aspekte des Atemwegs- und Kreislaufmanagements bis hin zu schmerz- und palliativmedizinischen Diskursen. Die somit entstehenden Aufgaben, die uns so jeden Tag zum Denken anregen und uns dazu bringen, uns mit anspruchsvollen, abwechslungsreichen Problemen der Medizin zu beschäftigen, gestalten den klinischen Alltag vielschichtig – was definitiv vor dem Bore-Out-schützt!

Komplexität der Aufgaben

Durch die Möglichkeiten der Intensivmedizin gelangt man als Ärzt:in häufig in das Spannungsfeld des medizinisch Machbaren und des medizinisch bzw. ethisch Sinnvollen. Insofern ist die Auseinandersetzung mit den Fragen am Ende des Lebens in der Intensivmedizin ein herausragender Punkt. Viel mehr noch als in den meisten anderen Fächern sollte der:die Intensivmediziner:in anhand des mutmaßlichen Patient:innenwillens, der Angaben von An- und Zugehörigen, der Erfahrung des Behandlungsteams und der Rahmenbedingungen ein adäquates Behandlungsziel festlegen. Natürlich können solche Gespräche und Diskurse belastend sein, aber genau dieses Verlassen der eigenen Komfortzone stellt eine persönliche Herausforderung und gleichzeitig Bereicherung dar, bei der man gemeinsam für bzw. mit den Patienten:innen, den An- und Zugehörigen, aber auch für sich selbst den individuell richtigen Weg finden kann.

Interdisziplinäre Teamarbeit

Noch mehr als in anderen Disziplinen der Medizin ist in der Intensivmedizin die optimale Zusammenarbeit mit intensivmedizinischem Pflegepersonal, Physiotherapie, Ergotherapie und vielen weiteren Fachgebieten für das bestmögliche Patient:innen-Outcome entscheidend. Dieser multidisziplinäre und multiprofessionelle Therapieansatz und die dafür unbedingt notwendige wertschätzende adäquate zwischenmenschliche Kommunikation werden in der Intensivmedizin täglich gelebt. Die Intensivmedizin lebt als Team, in dem alle Berufsgruppen gleichberechtigt vertreten sind und ihren Anteil am Behandlungserfolg leisten.

Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen

In Anbetracht des enormen Wissenszugewinns der gesamten Medizin ist es unmöglich, in jedem Fachbereich Experte:in zu sein. Darum sind wir froh, auf zahlreiche Ressourcen von anderen Fachdisziplinen zurückgreifen zu können und so im fachlichen und kollegialen Austausch jeden Tag etwas Neues lernen zu dürfen.

Erfolgserlebnisse

Die Intensivmedizin wird maßgeblich von invasiven Maßnahmen geprägt. Auch wenn diese Eingriffe oft nur ein Puzzleteil des Behandlungserfolgs des:der einzelnen Patienten:in darstellen, so ist jeder gelungene zentrale Venenkatheter, jede gelegte Thoraxdrainage und jede komplikationslose ECMO-Anlage mit einem Glücksgefühl verbunden, das den teils anstrengenden Arbeitsalltag sehr bereichert. Doch auch abseits aller Invasivität können ein gutes Patient:innen- bzw. An- und Zugehörigengespräch, wirksame Therapieentscheidungen sowie die Entlassung nach langer Liegedauer von der Intensivstation unvergleichliche Erfolgsmomente sein. Wer täglich mit schwerstkranken Patient:innen zu tun hat, dem:der bieten diese kleinen persönlichen und positiven Erlebnisse die Möglichkeit, gut mit dem fordernden Umfeld der Intensivstation umgehen zu können.

Tägliche Herausforderungen

Die Intensivmedizin stellt meist die einzige Therapiemöglichkeit für schwerkranke Patient:innen dar und bietet diesen Menschen damit die Chance auf Überleben und Genesung. Häufig wären ohne uns Intensivmediziner:innen die Spitzenleistungen der anderen Spezialfächer vergebens bzw. gar nicht möglich. Unsere Arbeit erlaubt auch die Therapiefortführung zugrundeliegender Erkrankungen, die aufgrund der kritischen Akutsituation auf Normalstationen nicht möglich wäre, und trägt somit zum Erfolg aller involvierten Fachdisziplinen bei.

Was wir uns von unseren Mentor:innen wünschen

Übertragung von Verantwortung: Es ist wichtig, dass wir von unseren Supervisor:innen und Mentor:innen zu kompetenten Ansprechpartner:innen ausgebildet werden. Es sollte daher auf jeder Intensivstation ein klares Behandlungs- und Ausbildungskonzept und damit einhergehend, eine klare Aufgabenverteilung für Assistenzärzt:innen und Jungfachärzt:innen geben. Dank der neuen Ausbildungsordnung können wir jungen Intensivmediziner:innen früher in Entscheidungsprozesse involviert werden und somit mehr Verantwortung übernehmen – was wir definitiv auch so wollen.

Regelmäßige Hands-On-Fortbildungen: Die Kompetenzen, um mehr Aufgaben zu übernehmen, müssen in sicherem Umfeld erworben und dann regelmäßig geübt werden. Die Teilnahme an Fortbildungen wie Megacode-Trainings, Übungen zu Crew Ressource Management und Skilltrainings zu Simulationen von Notfällen sollten neben Skillstations zu selteneren invasiven Maßnahmen (Legen und Handling eines passageren Schrittmachers, Thoraxdrainagen etc.) abgehalten werden. Als „Generation Ultraschall“ muss jede:r von uns die relevanten Schnitte der transthorakalen Echokardiographie und der Abdomensonographie beherrschen. Neben entsprechenden Kursen sollte die fachärztliche Betreuung auf Intensivstationen geregelt sein, um diese Skills im klinischen Alltag zu festigen. Um nicht nur die Hard-Skills zu optimieren, ist es auch sinnvoll, Assistenzärzt:innen ab der Sonderfachspezialausbildung die intensivmedizinischen Visiten und Gespräche mit Patient:innen und/oder An- und Zugehörigen unter Supervision durchführen zu lassen.

Mentorship: Jede:r junge:r Intensivmediziner:in sollte am Anfang der Ausbildung ein:e Mentor:in zugeteilt werden, der:die sich persönlich und individuell für das Vorankommen seines:ihres Mentees einsetzt. Regelmäßige Feedbackgespräche über Rotationen, Leistungen, aber auch Ausbildung der Einrichtung und Ausbildungskataloge sind sinnvoll und sollten von beiden Seiten ernst genommen werden, um den bestmöglichen Fortschritt der Assistenzärzt:innen zu dokumentieren und zu verbessern.

Möglichkeit für (externe) Supervision: Obwohl wir an einem stressbehafteten und oft belastenden Ort arbeiten, haben nur wenige von uns die Möglichkeit zur professionellen Supervision. Neben regelmäßigen gemeinsamen Gesprächsrunden, fix implementierten Team-(De‑)Briefings und Diskursen mit Kolleg:innen der klinischen Ethikberatung wäre eine persönliche, regelmäßige und im Akutfall verfügbare Gesprächsmöglichkeit mit Psychotherapeut:innen oder Peers wünschenswert. Wir wollen keine Generation sein, die „es“ aushalten kann, sondern eine Generation, die „es“ nicht aushalten muss.

Mitarbeit in der Fachgesellschaft

Wozu brauchen wir eigentlich eine Fachgesellschaft? Und lohnt es sich, hier mitzuarbeiten?

  • Festlegung der Ausbildungsinhalte sowie Organisation und Durchführung der Facharztprüfung in Zusammenarbeit mit der österreichischen Ärztekammer. Als Nachwuchsvertreter:innen der Fachgesellschaften wollen wir hierfür eine Online-Lernplattform mit entsprechenden Lernunterlagen zur Verfügung stellen und selbstverständlich jederzeit als Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen.
  • Organisation von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten u.a. im Rahmen von Kongressen und Seminaren. Im Zuge dessen möchten wir den in Ausbildung befindlichen Intensivmediziner:innen ein entsprechendes, angepasstes und erweitertes Programm anbieten.
  • Wissenschaftliche Projekte unterstützen und fördern. Für jährlich ausgeschriebene Forschungsförderungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs (z. B. den Forschungsförderungspreis der ÖGIAIN/ÖGARI) wollen wir Euch bei der Erstellung und Optimierung Eures Forschungsprojekts beraten und unterstützen sowie auch längerfristig bei der Etablierung von kooperativen Forschungsprojekten helfen.

Zusätzlich bietet unsere Fachgesellschaft auch eine niederschwellige, kollegiale Umgebung zum (nicht nur fachlichen) Austausch und als „Ombudsstelle“ für Deine Anliegen. Wenn Du also mit uns in Kontakt treten möchtest – wir freuen uns!

erschienen in den ANÄSTHESIE NACHRICHTEN 1/2024