Zusammenfassung
Mittels Verordnung tritt mit 1. Juni 2025 die Spezialisierung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ in Kraft. Sie stellt eine umfassende Weiterbildung für die prähospitale und innerklinische Notfallmedizin in Österreich sicher und hebt diese auf europäisches Niveau.
von Martin Dünser (1), Harald Herkner (2), Philip Eisenburger (2) und Helmut Trimmel (1, 3)
(1) Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und
Intensivmedizin (ÖGARI), Wien
(2) Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin (Austrian Association of Emergency Medicine – AAEM), Wien
(3) Abteilung Anästhesie, Notfall- und Allgemeine Intensivmedizin, Universitätsklinikum Wiener Neustadt

Am 16. Dezember 2024 wurde nach mehrjähriger Vorarbeit die Innerklinische Akut- und Notfallmedizin offiziell durch die Österreichische Ärztekammer im Rahmen einer Novelle zur Spezialisierungsverordnung verlautbart. Die damit verbundene Einführung eines strukturierten Ausbildungskonzepts für die innerklinische Versorgung von Notfallpatient:innen stellt einen elementaren Schritt zur Verbesserung der Patient:innenversorgung, insbesondere in den Notfallabteilungen dar. Österreich reiht sich damit endlich auch in die Liste jener europäischen Länder ein, die eine spezifische Weiterbildung für Klinische Notfallmedizin anbieten.
Gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Notfallmedizin (AAEM) war die Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) wesentlich und über viele Jahre an der Umsetzung dieser erfreulichen und wichtigen Entwicklung beteiligt. Die Spezialisierung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ ergänzt die 2018 novellierte Notarztausbildung. Damit ist nunmehr eine umfassende Weiterbildung in der prähospitalen und der innerklinischen Notfallmedizin in Österreich sichergestellt. Es ist hochwahrscheinlich, dass die Spezialisierung in Zukunft die fachliche Voraussetzung darstellen wird, um ärztliche Leitungspositionen in den Notfallabteilungen Österreichs besetzen zu können.
Die neue Spezialisierung steht allen Ärzt:innen nach abgeschlossener Ausbildung für Allgemeinmedizin oder in einem klinischen Sonderfach offen. Voraussetzungen zum Eintritt in die Spezialisierungsausbildung sind weiters ein gültiges Notarzt-Diplom gemäß § 40 Ärztegesetz 1998 sowie der Nachweis einer Vollzeittätigkeit über mindestens drei Monate an einer Abteilung für Innere Medizin, drei Monate an einer Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie drei Monate an einer Intensivstation. Diese neunmonatige Tätigkeit kann auch im Rahmen der Allgemeinmedizin- bzw. Facharztausbildung im Quellfachgebiet oder der Notarztausbildung absolviert werden.
Die Ausbildung selbst umfasst dann eine 24-monatige Tätigkeit in einer innerklinischen Notfalleinrichtung (zum Beispiel zentrale Notfallambulanz, Notaufnahme, Abteilung für Notfallmedizin oder Zentrale Ambulante Erstversorgungseinheit/ZAE), welche mit der Behandlung von medizinischen Notfällen und akuten Erkrankungen betraut ist. Von diesen 24 Monaten können insgesamt maximal sechs Monate an Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde, Chirurgie bzw. Unfallchirurgie absolviert werden. Während dieser Zeit müssen im Ausbildungscurriculum definierte Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben bzw. erlernt werden. Fertigkeiten, die im Rahmen der Sonderfach- und/oder Notarztausbildung erworben wurden, sind für die Spezialisierung anrechenbar. Details zum Inhalt des Curriculums „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ finden sich auf der Webseite der Österreichischen Ärztekammer [1].
Übergangsbestimmung
Die Spezialisierungsverordnung tritt mit 1. Juni 2025 in Kraft. Im Rahmen der Übergangsbestimmung können Ärzt:innen, die im Zeitraum von 1. Juni 2015 bis 1. Juni 2025 eine zumindest 36-monatige Tätigkeit als zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte:r Ärztin:Arzt an einer innerklinischen Notfalleinrichtung ausgeübt haben und zum Zeitpunkt des Antrags über eine Berufsberechtigung als Ärztin:Arzt für Allgemeinmedizin oder als Fachärztin:Facharzt in einem klinischen Sonderfach und ein gültiges Notarztdiplom verfügen, die Spezialisierung in Klinischer Akut- und Notfallmedizin beantragen. Der Antrag ist in elektronischer Form bei der Österreichischen Ärztekammer einzubringen.
Großes Interesse von Jungärzt:innen
Die Einführung der Spezialisierung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ ist nicht nur ein wichtiger Schritt für die zukünftige Entwicklung der Notfallmedizin in Österreich, sondern stellt auch für die Anästhesiologie in Österreich und die ÖGARI einen zentralen Meilenstein dar. Die prähospitale und innerklinische Notfallmedizin ist eine wichtige Säule des Sonderfachs Anästhesiologie und Intensivmedizin, die insbesondere unsere jungen Kolleg:innen anspricht [2, 3]. Das Tätigkeitsspektrum umfasst ja neben der Notfallversorgung von vital bedrohten und kritisch kranken Patient:innen auf den Bettenstationen auch die Behandlung von Patient:innen mit akut- und notfallmedizinischen Erkrankungsbildern in den Notfallbereichen.
Symptom- und dringlichkeitsbasierte Herangehensweise
Wie das Curriculum der Spezialisierung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ widerspiegelt, ist die ärztliche Tätigkeit in der Notfallmedizin vielfältig, herausfordernd und interessant. Die große Mehrheit der Patient:innen in Notfallabteilungen ist nicht akut lebensbedroht oder instabil, sondern braucht vorrangig eine Leitsymptom-orientierte medizinische Betreuung. Anders als die typische Diagnoseorientierung hat die Notfallmedizin international eine effiziente symptom- und dringlichkeitsbasierte Herangehensweise entwickelt, um die passende Diagnostik und Therapie für Patient:innen mit Dyspnoe, Bauchschmerz, Schwindel usw. anzubieten. Dabei muss die Balance gefunden werden zwischen fokussiertem, schnellem Vorgehen und notwendiger Tiefe. Das schlanke Abarbeiten mit eingeschränkter Diagnostik muss genauso gelernt werden wie die Versorgung von instabilen Patient:innen.
Anästhesiologische wie intensivmedizinische Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten haben für diese Arbeit einen hohen Stellenwert. Diese umfassen insbesondere die Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen sowie das frühzeitige Erkennen, die korrekte Einschätzung und die intensivmedizinische Behandlung von kritisch kranken Patient:innen mit nichttraumatologischen bzw. traumatologischen Erkrankungen über alle Altersgruppen hinweg.
Weitere zentrale anästhesiologische Kompetenzen, die für die innerklinische Notfallversorgung von hoher Bedeutung sind, stellen – neben der Expertise in der Akutschmerztherapie und Palliativmedizin – die unserem Fach inhärente Managementfähigkeit (OP-Management) und die täglich von uns zu erbringende interdisziplinäre Zusammenarbeit dar. Darüber hinaus sind weitreichende Kenntnisse der Inneren Medizin, Allgemeinmedizin und anderer klinischer Fächer von großer Bedeutung, die in dieser Spezialisierung systematisch erlernt werden.
Die Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin bietet in Kooperation mit der ÖGARI seit vielen Jahren einen Diplomkurs an, in dem die theoretischen Grundlagen für dieses breite Spektrum vermittelt werden (https://www.aaem.at/diplom/).
Nicht zuletzt aufgrund dieser hohen interdisziplinären Orientierung vertritt die ÖGARI seit vielen Jahren den Standpunkt, die Notfallmedizin nicht als eigenes Sonderfach, sondern als Ausbildungsformat für alle akut- und notfallmedizinisch orientierten Sonderfächer zu etablieren. Von dieser Interdisziplinarität in der nun erreichten Spezialisierung profitieren in letzter Konsequenz nicht nur die notfallmedizinisch tätigen Ärzt:innen, sondern insbesondere jene, um die es vor allem geht: unsere Patient:innen!
Literatur
- Österreichische Ärztekammer. Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 04/2024 https://www.aerztekammer.at/documents/d/content-pool/8-novelle-der-spezialisierungsverordnung. Zugegriffen: 22. März 2025.
- Dünser M, Trimmel H. ÖGARI Positionspapier zur innerklinischen Akut- und Notfallmedizin. Anästhesie Nachr. 2022;4:156–8.
- Gräsner JT, Brokmann J, Wurmb T, Bernhard M, Wnent J, Metelmann C, Katzenschlager S, Beck G, Zwissler B, Marx G, Pannen B. Die Zukunft der Notfallmedizin gestalten – aus Sicht von DGAI und BDA. Anästh Intensivmed. 2024;65:V142–V7.
erscheint in ANÄSTHESIE NACHRICHTEN 2/2025