Palliativpflege im Wandel – ein Blick auf palliativpflegerische Herausforderungen

Die stetigen Fortschritte in der palliativen Betreuung beeinflussen auch die Weiterentwicklung der palliativen Pflege auf mehreren Ebenen. Während die „Palliativpflege“ in den Anfängen fälschlicherweise auf Paradigmen wie „Plaudern“, „Hand halten“ oder „unendlich viel Zeit haben“ reduziert wurde, konnte sie sich mit der Zeit als eine fachlich fundierte Spezialpflege etablieren. Die Herausforderungen werden jedoch nicht weniger. In diesem Text werden nur einige erwähnt, mit der Prämisse, dass es noch weitere zu reflektieren gäbe.

von Manuela Wasl, MSc (Palliative Care), DGKP, Mobiles Palliativteam Universitätsklinikum Krems, 2. Vizepräsidentin der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG)

Historischer Einblick in die Palliativpflege

Die Begleitung sterbender Menschen ist so alt wie die Menschheit selbst. Bereits zu Beginn des Christentums gab es die ersten Stätten für kranke und sterbende Menschen, die ab dem 4. Jahrhundert zumeist von christlichen Mönchsorden geführt wurden. Im Mittelalter bildeten sich die ersten Pflegeorden (z. B. Malteser, Johanniter), welche die „Pflege“ kranker Menschen und unheilbar Kranker als ihre Aufgabe sahen. Bis ins 19. Jahrhundert waren die medizinischen Möglichkeiten sehr begrenzt und nur wenige medikamentöse Maßnahmen standen zur Verfügung, daher waren Pflegeanwendungen zumeist Mittel der ersten Wahl.

Dame Cicely Saunders (1918–2005), die Begründerin der modernen Hospizbewegung in den 1960er-Jahren, selbst Krankenschwester, Sozialarbeiterin, Ärztin und sogar als Ehrenamtliche tätig, wies zum ersten Mal auf den ganzheitlichen Ansatz in der Betreuung und somit auf den Bedarf der Zusammenarbeit der einzelnen Professionen hin. Die Entwicklung der Palliativpflege als integraler Bestandteil in einem Palliative-Care-Team hatte begonnen [1].

In Österreich wurde Palliativpflege 1997 als Lehrfach in der Ausbildung für Gesundheits- und Krankenpflege etabliert. 2017 wurde Palliativpflege als eine von zehn Spezialisierungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) verankert [2].

Definition Palliativpflege

Die Arbeitsgruppe Pflege der Österreichische Palliativgesellschaft definiert Palliativpflege als eine fundierte, umfassende, individuelle und kreative Pflege, die den Patient:innen eine möglichst hohe Lebensqualität und Selbstbestimmung gewährleistet. Palliativpflege versteht sich als Spezialpflege, sowohl im stationären als auch im häuslichen Bereich. Sie wirkt aktiv in der speziellen Palliativbetreuung und unterstützt gleichermaßen in der Primärversorgung (Grundversorgung). Palliativpflegepersonen verfügen über umfassendes Wissen, viel praktisches Können sowie hohe soziale und kommunikative Kompetenzen [3].

Häufig kommt es zu Vermischungen bzw. Verwechslungen: Für Pflege steht im Englischen der Ausdruck „care“. Aufgrund der vielfältigen Übersetzungen des Wortes „care“, das neben Pflege auch Versorgung, Sorgfalt, Obhut, Sorge oder Behandlung bedeutet, wird der Begriff Palliative Care fälschlicherweise wiederholt mit Palliativpflege gleichgestellt. Jedoch steht Palliative Care für das interprofessionelle/interdisziplinäre Gesamtkonzept, während Palliativpflege ein wesentlicher Teilbereich von Palliative Care ist, wie auch die Palliativmedizin bzw. andere in der Palliativversorgung tätige Berufsgruppen [4].

Diese Erklärung soll keine Wortklauberei sein, vielmehr soll sie Klarheit in Bezug auf berufliche Identität und Positionierung aufgrund einer spezialisierten Leistung schaffen.

Pflegekompetenzen qualifiziert einsetzen

Wie zuvor beschrieben, verfügen Palliativpflegepersonen über ein hohes Maß an unterschiedlichen Kompetenzen, die sie im Pflegealltag selbstständig und professionell einsetzen, um diverse Aufgaben, Herausforderungen und Probleme zu lösen. Auch darauf bedacht, dass ihr Handeln nicht über die eigene Zuständigkeit bzw. Befugnis hinausgeht. Pirker beschreibt in diesem Zusammenhang Pflegekompetenzen als Handlungsdispositionen, die Handlungsfähigkeit (Können), Handlungsbereitschaft (Wollen) und Zuständigkeit (Dürfen) im Sinne von Rechten und Pflichten miteinschließen. Alle drei Dimensionen müssen gleichermaßen gegeben sein. Eindeutig definierte Kompetenzbereiche geben dabei Klarheit und schaffen Orientierung [5].

Für die einzelnen Pflegeberufe (Gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege – DGKP, Pflegefachassistenz, Pflegeassistenz) sind diese in den berufsrechtlichen Bestimmungen nach dem GuKG geregelt, trotzdem gibt es Unsicherheiten. Es gibt zum Beispiel nach wie vor Bedenken bezüglich des Einsatzes von Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz im spezialisierten Palliativbereich, wo selbstständiges pflegerisches Handeln essenziell ist. Sie können aufgrund ihrer Kompetenzbeschreibung nicht in allen Bereichen und zu jeder Zeit eingesetzt werden. Erst die Praxis wird zeigen, welche Art der Zusammenarbeit sich als nützlich erweist.

Bedeutend ist auch die Tatsache, dass immer häufiger Maßnahmen, besonders Maßnahmen betreffend § 14 GuKG „Pflegerische Kernkompetenzen“, implizit rationiert werden. Gründe dafür sind Faktoren wie Personalmangel, Zeitmangel, erhöhter Pflegeaufwand, emotionale und physische Erschöpfung oder Defizite aufgrund hoher Fluktuation. Dies wird durch die erst kürzlich veröffentlichte MISSCARE-AUSTRIA STUDIE, die in österreichischen Krankenhäusern durchgeführt wurde, bekräftigt. Auffallend ist auch, dass Tätigkeiten wie emotionale Unterstützungen oder das Führen von Gesprächen nochmals häufiger weggelassen werden als Tätigkeiten, die die Grundbedürfnisse betreffen [6]. Obwohl die Gefahr neuerlich sehr hoch ist, darf sich die Pflege keinesfalls nur auf die Kriterien „satt, sauber, trocken“ reduzieren lassen. Pflege ist und kann mehr!

Die Voraussetzungen für bedürfnisorientierte Pflege im weiteren Sinne sind im spezialisierten Palliativpflegebereich noch gegeben, aber auch hier steigen die Anforderungen – und beeinflussende Faktoren machen auch vor der Palliativtür nicht halt.

Allgemeine Palliativpflege

Nicht jede:r palliativ Erkrankte benötigt ein spezielles Palliativteam. Dies beschreibt auch die WHO in ihrem Leitfaden für die Integration von Palliativversorgung und Symptomlinderung in die primäre Gesundheitsversorgung: „Es ist weder machbar noch notwendig“ [7].

Viele Kranke möchten aber zu Hause sterben, dies wurde bereits in vielen Umfragen eruiert. Dazu braucht es eine enge Zusammenarbeit sämtlicher Betreuungspersonen im häuslichen Bereich. Ebenso einen Zugang zu mobilen Palliativeinheiten, wenn diese benötigt werden. Die Pflegepersonen der mobilen Pflege und Betreuung zuhause (Hauskrankenpflege) sind zumeist sehr intensiv in dieses Betreuungskonstrukt involviert, haben aber auch hier mit deutlicher Ressourcenknappheit zu kämpfen. Teilweise fehlt es auch an Fachwissen. Dazu wurde ein österreichweites Projekt des Dachverbands Hospiz Österreich von 2019 bis 2022 durchgeführt: HIZ – Hauskrankenpflege im Zentrum (Hospizkultur und Palliative Care in der mobilen Pflege und Betreuung zuhause). Mitarbeiter:innen verschiedener Träger und Krankenpflegevereine haben sich mit dieser Thematik intensiv auseinandergesetzt, um mehr Sicherheit und Stabilität in den Begleitungen, aber auch in diversen Krisensituationen zu bekommen. Am Ende resultiert eine Verbesserung für die Betreuenden und eine Qualitätsverbesserung für die Betroffenen [8].

Nachhaltig betrachtet wird es eine Weiterentwicklung brauchen, eine weitere Vernetzung, adäquate Weiterbildungen sowie eine langfristige Finanzierung. Es wäre wünschenswert, wenn sich alle Träger in allen Bundesländern mit der gleichen Intensität damit beschäftigen würden. Denn die Anforderungen werden aufgrund der demografischen Entwicklung immer größer und auch die Inanspruchnahme von Palliative Care nimmt deutlich zu. Mobile Palliativeinheiten und mobile Betreuungseinheiten zuhause werden zukünftig noch intensiver zusammenarbeiten müssen.

Eine weitere Unterstützung in diesem Betreuungsangebot könnte in Zukunft Community Nursing sein. Laut Aufgaben- und Rollenprofil einer Community Nurse soll sie unter anderem zu höchstmöglicher Lebensqualität aus pflegerischer Sicht beitragen, den Verbleib im eigenen Zuhause so lange wie möglich gewährleisten und sich mit lokalen und regionalen Netz(werken) vernetzen [9]. Eine gute Ausgangslage, die auch in der Betreuung Schwerkranker und Sterbender zuhause genutzt werden sollte. In der Praxis gibt es bereits erste Annäherungen, die sich aber für eine optimale Zusammenarbeit noch weiter entwickeln müssen. Wieweit palliatives Fachwissen in Form von Weiterbildungen notwendig sein wird, werden die nächsten Jahre zeigen.

Weitere Herausforderungen

Wie bereits erwähnt, ist mir als Autorin dieses Beitrags bewusst, dass dies maximal ein kurzer Blick in die Komplexität der palliativpflegerischen Herausforderungen ist. Viele weitere Themen gäbe es zu beleuchten, unter anderem Hospiz und Palliative Care in den Pflegeheimen, pflegerischer Umgang mit dem Thema Assistierter Suizid, arbeitsbedingte Belastungen, Konfliktpotenzial durch Kompetenzüberschneidungen, Zusammenarbeit mit 24-Stunden-Betreuung, Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Palliative Care, Öffentlichkeitsarbeit breiter gesehen, Sensibilisierung für Advance Care Planning, Umgang mit der alternden Bevölkerung, Umgang mit Demenz, Pflege 4.0 und noch viele, viele mehr. Aber: „No matter what, it’s never enough.“

Abschließend möchte ich nochmals auf die hochqualifizierte und kompetente Weiterentwicklung in der Palliativpflege hinweisen, die für sich den Anspruch erhebt, Fachexpertise und Humanität weiterhin in erforderlicher Balance zu halten.

“Nursing staffs are not angels and heroes — we are degree-educated, highly competent, multi-skilled professionals deserving of fair pay.“

Donna Kinnari, chief executive and general secretary—Royal college of nursing UK
Literatur
  1. St. Christopher’s Hospiz. Dame Cicely Saunders Leben und Werk.. stchristophers.org.uk. Zugegriffen: 14. März 2023.
  2. Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG.. bka.gv.at. Zugegriffen: 14. März 2023, Fassung vom 12.10.2022.
  3. Feichtner A. Palliativpflege. Facultas Verlag; 2018. S. 25.
  4. Bollig G, Unger M, Pani P. Gibt es einen Unterschied zwischen Palliative Care und Palliativmedizin? Palliativmedizin. 2010;11(6):304–13.
  5. Pirker C. Der Kompetenzbegriff in der Pflege. Österreichische Pflegezeitschrift. 2019;3:23–6.
  6. MISSCARE-AUSTRIA STUDIE – Missed Nursing Care in österreichischen Krankenhäusern. Eine deskriptiv-komparative Annäherung. 2022. https://misscare-austria.univie.ac.at/ergebnisse/. Zugegriffen: 14. März 2023, In Zusammenarbeit von Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Universität Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften.
  7. World Health Organization. Integrating palliative care and symptom relief into primary health care: a WHO guide for planners, implementers and managers. 2018. S. 10.
  8. HIZ – Hauskrankenpflege im Zentrum. Hospizkultur und Palliative Care in der mobilen Pflege und Betreuung zuhause. Projekt des Dachverbands Hospiz Österreich. 2019–2022.. https://www.hospiz.at/fachwelt/hospiz-und-palliative-care-in-der-grundversorgung/hpc-in-der-betreuung-und-pflege-zuhause/. Zugegriffen: 14. März 2023.
  9. Gesundheit Österreich GmbH. Aufgaben- und Rollenprofil. Community Nurse. Im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. 2021. https://goeg.at/sites/goeg.at/files/inline-files/Aufgabenprofil_CN.pdf. Zugegriffen: 14. März 2023.