Schmerzmittel-Mangel: OPG fordert zum Handeln auf

Der aktuelle Mangel in der Versorgung mit Medikamenten zur Linderung starker Schmerzen zwingt immer mehr Palliativmediziner:innen dazu, von der Leitlinien-konformen Standardtherapie zur „bestmöglichen Behandlung“ abzuweichen. Die Österreichische Palliativgesellschaft ruft die Verantwortlichen auf, Versorgungssicherheit vor marktwirtschaftliche Interessen zu stellen.

© Iren Moroz / stock.adobe.com
© privat

„Die Versorgungssicherheit für unsere wichtigsten Arzneimittel muss im Interesse des Gesetzgebers liegen und kann nicht nur durch marktwirtschaftliche Gesetze geregelt werden“, fordert Dr. Dietmar Weixler, MSc, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG): „Die OPG bittet die Österreichische Ärztekammer, den Dachverband der Sozialversicherungsträger und das Bundesministerium für Gesundheit die OPG in diesem Anliegen zu unterstützen, da im kommenden Herbst mit einer neuerlichen Verknappung zu rechnen sein wird!“ Betroffen vom aktuellen Mangel sind besonders Medikamente gegen starke Schmerzen und Atemnot, aber auch Spezialitäten zur Behandlung von Infekten. „In den letzten Wochen kam es zu deutlichen und prekären Engpässen bei Antibiotika, insbesondere in Saftform für Kinder“, konkretisiert Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc, im OPG-Vorstand mit der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen befasst. Aber auch abschwellende Nasentropfen für Kinder, Inhalationslösungen und fiebersenkende Medikamente sind immer wieder Mangelware. Praktisch nicht verfügbar sind derzeit niedrigdosierte Opioidpflaster, die für eine wirkungsvolle, sichere und nebenwirkungsarme Schmerztherapie bei palliativ betreuten Kindern unerlässlich sind.

“Immer mehr von der Österreichischen Palliativgesellschaft empfohlene Medikamente zur Symptomlinderung Sterbender werden aufgrund von Dumping-Preisen zur Mangelware, während teure, nicht zielführende Therapien immer mehr zunehmen.“

Dr. Dietmar Weixler, MSc
© MUW

Generell sind Palliativmediziner:innen mit einem Opioid-Mangel konfrontiert. Opioide sind für eine wirkungsvolle Therapie starker Schmerzen unverzichtbar und können auch andere häufig auftretende Symptome wie Atemnot lindern, erläutert Univ.- Prof. PD DDr. Eva Katharina Masel, MSc, Leiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin, Medizinische Universität Wien: „Die frühzeitige Linderung belastender Symptome ist eine ärztliche wie ethische Pflicht, um Leiden zu lindern und die Würde des Menschen zu achten. Eine adäquate Versorgung mit Opioiden in Krankenhäusern sowie die Weiterversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt ist im 21. Jahrhundert unerlässlich.“

» Die frühzeitige Linderung belastender Symptome ist eine ärztliche wie ethische Pflicht.

Hintergründe und Lösungsansätze

Ein Grund für den österreichweiten Mangel sei die Niedrigpreispolitik für ältere, gut etablierte Arzneimittelspezialitäten, vor allem Analgetika, Opioide und Antibiotika, erklärt Mag. Elisabeth Steiner, Vorsitzende der AG Palliativpharmazie der OPG: „Die Preise fallen immer noch weiter. Umgekehrt erfahren wir eine Welle von Neuzulassungen für Onkologie und rare diseases in einem nie dagewesenen Preissegment mit Monatstherapiekosten, die nicht selten im fünfstelligen Eurobereich liegen. Die bedrohliche Vision, dass Patient:innen, die innovative, enorm teure Antitumortherapeutika erhalten und dann an banalen Infekten sterben könnten, weil Antibiotika nicht lieferbar sind, rückt näher.“

Österreichische Hersteller könnten die Versorgungslücken schließen. In der Vergangenheit habe man aber „lieber auf Produzenten in Billigproduktionsländern gesetzt und die Preise wurden immer noch weiter gedrückt“, kritisiert Dr. Weixler: „Schon jetzt sind aber die Preise für unsere gängigen Medikamente am Lebensende in Österreich beispiellos niedrig, eine Ampulle Morphium kostet z. B. 95 Cent im Apothekeneinkaufspreis. Verständlicherweise schwindet damit das Interesse seitens der Produzenten, Arzneispezialitäten zu produzieren, die kaum mehr Gewinn abwerfen.“ Die Pharmahersteller könnten zwar Erhöhungsanträge für die auf Dumping-Preise verhandelten Medikamente stellen, die OPG vertritt jedoch die Ansicht, dass „nur ein proaktives Vorgehen der Verantwortlichen von Gesundheitspolitik, dem Dachverband der Sozialversicherungsträger und den Standesvertretungen zielführend sein kann.“

Während auf der einen Seite gängige, gut etablierte Standard-Therapeutika immer häufiger fehlen, nimmt die Zahl hochpreisiger, aber nicht in allen individuellen Patientensituationen zielführenden Therapien nahe am Lebensende zu, so Dr. Weixler abschließend: „Das kann weder aus medizinethischer Sicht noch aus finanzieller Sicht ein sinnvoller Weg sein.“

Bericht: Mag. Volkmar Weilguni

Erschienen in Anästhesie Nachrichten 2/23