Thema des Monats

Extrakorporale Stoßwellentherapie

Zusammenfassung
Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) stellt eine effektive und mit guter wissenschaftlicher Evidenzlage fundierte regenerative physikalische Therapiemethode mit mittlerweile breitem Indikationsspektrum dar und kann zur Therapie von Schmerzen und Mobilitätsstörungen sowie bei Wundheilungsstörungen im multimodalen Konzept effektiv eingesetzt werden.

Porträtfoto Richard Crevenna

© ÖSG/APA/Leitner

von Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, MSc, Msc, MBA, Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien

Hintergrund

Im Bereich der physikalischen Medizin und Rehabilitation werden verschiedene physikalische Modalitäten zur Vorbeugung und Behandlung diverser Krankheiten und auch zur Rehabilitation eingesetzt. In der Regel stehen diese Modalitäten in Zusammenhang mit physikalischen Kräften und Energien wie mechanischen Kräften (Mechanotherapie), Wärme und Kälte (Thermotherapie), Elektrizität (Elektrotherapie), Licht (Phototherapie) sowie Bäder- und Klimareizen (Balneo- und Klimatherapie) und sind in der Lage, physikalische und biophysiologische Reaktionen im menschlichen Körper hervorzurufen. In den meisten Fällen werden sie wiederholt angewendet und sind dann in der Lage, adaptive und regenerative Veränderungen der Körperfunktionen zu bewirken.

Die fokussierte extrakorporale Stoßwellentherapie (fESWT) ist eine physikalische Behandlungsmodalität aus dem systematischen Bereich der Mechanotherapie und wurde zunächst in der Medizin im Bereich der Urologie zur Zertrümmerung von Nierensteinen eingesetzt. Im Verlauf der letzten 30 Jahren wird die ESWT auch für muskuloskeletale Indikationen eingesetzt und ihr Indikationsspektrum weiterentwickelt. Die meisten Wirkungen der fESWT beruhen auf dem Phänomen der Mechanotransduktion, worüber physikalische Kräfte die Gewebephysiologie und Krankheiten beeinflussen und zur Geweberegeneration und -heilung durch Schmerzlinderung, Regulierung von Entzündungen (Immunmodulation) und Induktion der Neoangiogenese und von Stammzellaktivitäten (Migration, Homing, Differenzierung) führen können.

ESWT als regenerative Therapie

Als regenerative Therapie hat die ESWT zahlreiche Vorteile. Die Methode ist wissenschaftlich fundiert, zeigt eine hohe klinische Effektivität und letztlich auch Effizienz, womit sie im Moment wohl an der Spitze der regenerativen physikalischen Therapiemöglichkeiten einzuordnen ist.

Effekte der ESWT

Die ESWT hat zunächst analgesierende Immediatwirkungen, welche bei den meisten Patient:innen bereits zu einer ersten Entlastung führen. Der bestimmende Wirkmechanismus der ESWT ist die Mechanotransduktion. Diese führt u. a. zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren, zur regenerativen Bildung und zum Einwachsen von Blutgefäßen (Wirkungen auf die Angiogenese und auf die Mikrovaskularisation), zu proliferativen Wirkungen mit der Neubildung autochthonen Gewebes sowie zu Effekten auf das Migrationsverhalten und die Differenzierungsfähigkeit von Stammzellen (Migration, Homing, Differenzierung in gewebstypische Zellen). Dadurch hat die ESWT analgetische, antiinflammatorische und immunologische sowie (zyto)proliferative und regenerative Effekte (Tab. 1).

Tab. 1: Regenerative und reparative Effekte der Mechanotransduktion
Schmerzreduktion
Entzündungshemmung
Angiogenese
Zellproliferation
Reparation
Regeneration
Funktionsverbesserung

Die genauen Mechanismen, die den Effekten der ESWT am muskuloskeletalen System zugrunde liegen, werden seit Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts intensiv beforscht (Tab. 2).

Tab. 2: Mechanismen als Grundlage der Effekte der ESWT am muskuloskeletalen System
Einfluss auf Schmerzmediatoren
Einfluss auf Entzündungsmediatoren
Einfluss auf chronische Entzündungsprozesse
Auflösung von Kalkdepots bzw. Wirkung auf kalzifizierte/-ende Fibroblasten
Einfluss auf die Kollagenproduktion
Einfluss auf die Vaskularisation
Einfluss auf regenerative und reparative Systeme
Wirkung auf die Triggerpunkte
Biophysikalische extrazellulär-zelluläre Mechanotransduktion:
Übertragung über das Zytoskelett in den Kern und Regulation der Genexpression mit relevanten biologischen Effekten wie u. a.:
– Stimulation regenerativer Prozesse in Haut, Sehnen, umgebendem Gewebe und Knochen
– Stammzell-Migration, -Homing und -Differenzierung in gewebstypische Zellen

Methodisch wird die eigentliche fokussierte extrakorporale Stoßwellentherapie (fESWT) von der sog. radialen Technik (präziser als Druckwellentherapie bezeichnet) unterschieden.

Das Indikationsspektrum der ESWT konnte in den letzten Jahrzehnten durch die Bemühungen der DIGEST (Deutschsprachige Internationale Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie) und ISMST (International Society for Medical Shockwave Treatment) enorm erweitert werden. Es besteht eine exzellente wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität der ESWT sowie etablierte und publizierte Standards für die State-of-the-Art-Anwendung. Es gibt das Angebot einer hochwertigen, qualifizierten Ausbildung und Zertifizierung zum Thema Stoßwellentherapie (siehe Webpages von DIGEST: https://digest-ev.de/index.php und ISMST > https://shockwavetherapy.org/).

Am Bewegungs- und Stützapparat sowie am Binde- und Stützgewebe kann die ESWT bei Lege-artis-Ausführung verändertes Gewebe in wenigen Sitzungen effektiv regenerativ und reparativ verändern. Die wesentlichen Indikationen der ESWT umfassen hier u. a. schlecht heilende Frakturen bzw. Pseudoarthrosen sowie schlecht heilende Wunden bzw. chronische Wunden. Weitere Anwendungsgebiete sind Fersensporn und Fasciitis plantaris, Tendinopathien mit und ohne Verkalkungen (wie z. B. an der Schulter als Periarthropathia calcarea), die Achillodynie, die radiale und ulnare Epikondylitis, also Tennisellenbogen und Golferarm, das Patellaspitzensyndrom oder Jumper’s knee, Sehnen- und Schleimbeutelentzündungen am Hüftgelenk bzw. Greater Trochanteric Pain Syndrome und Adduktorensyndrom sowie Muskelläsionen wie Muskeleinrisse ohne Kontinuitätsunterbrechung, das Pes-anserinus-Syndrom, das Peronealsehnensyndrom, die Trigger-Finger, Arthrosen, Osteoporose, Polyneuropathie, Lymphödem etc.

Die Anwendung der ESWT an Triggerpunkten, als sog. Triggerpunkt-Therapie, ist eine weitere effektive Option. Die als Standardindikationen bezeichneten, in der klinischen Routine am längsten und am häufigsten angegangenen Pathologien, sind in Tab. 3 zu finden.

Tab. 3 Standardindikationen für die ESWT laut S2e-Leitlinie der DIGEST. (Nach [1])
TendinopathienPlantare Fasciitis mit oder ohne Fersensporn
Achillodynien
Radiale Epikondylopathie („Tennisellbogen“)
Tendinosis calcarea der Schulter („Kalkschulter“)
Patellaspitzensyndrom („Jumper’s knee“)
Bursitis trochanterica, Greater trochanteric pain syndrom (GTPS)
KnochenpathologienVerzögerte und nichtheilende Knochenbrüche (Pseudoarthrosen)
Ermüdungsbrüche, Stressfrakturen
Frühe Stadien der avaskulären Knochennekrose
Frühe Stadien der Osteochondritis dissecans (OD) nach Wachstumsabschluss
Pathologien der HautWundheilungsstörungen unterschiedlicher Genese
Verbrennungen (nicht zirkumferent)

Neben den erwähnten, breit akzeptierten Standardindikationen gibt es per definitionem die sog. allgemein anerkannten Indikationen, die in Tab. 4 aufgelistet sind.

Tab. 4: Allgemein anerkannte Indikationen für die ESWT laut S2e-Leitlinie der DIGEST. (Nach [1])
TendinopathienTendinopathien der Rotatorenmanschette ohne Verkalkungen
Ulnare Epikondylopathien („Golferarm“)
Adduktoren-Syndrom
Pes-anserinus-Syndrom
Peronealsehnensyndrom
Schienbeinkantensyndrom
Tendinopathie der Tibialis-anterior-Sehne
Tendinopathie der Tibialis-posterior-Sehne
Tendinopathie der Flexor-hallucis-longus-Sehne
Pathologie der MuskulaturMyofasziales Syndrom
Verletzung ohne Kontinuitätsunterbrechung
KnochenpathologienKnochenmarködem unterschiedlicher Genese
Morbus Osgood Schlatter
Frühe Stadien der Osteochondrosis dissecans (OD) vor Wachstumsabschluss

Expert:innenindikationen (Ausnahmeindikationen) sollten in erster Linie auf Kolleg:innen mit hoher Expertise auf dem Gebiet der ESWT sowie der entsprechenden Indikationen beschränkt bleiben. Diese sind in Tab. 5 aufgelistet.

Tab. 5: Expert:innenindikationen oder Ausnahmeindikationen für die ESWT laut S2e-Leitlinie der DIGEST. (Nach [1])
Spastizität unterschiedlicher Genese
Frühe Stadien der Arthrose
Polyneuropathie unterschiedlicher Genese
Karpaltunnelsyndrom (CTS)
Frühstadien der Dupuytren-Kontraktur
Morbus Ledderhose
Tendovaginitis stenosans de Quervain
Schnellender Finger
Lymphödem

Experimentelle Anwendungen stellen interessante Optionen für mögliche zukünftige Therapieansätze mit der ESWT dar, deren Effekte noch wissenschaftlich untersucht werden. Eine entsprechende Auflistung der experimentellen Anwendungen ist in Tab. 6 zu finden.

Tab. 6: Experimentelle Anwendungen für die ESWT laut S2e-Leitlinie der DIGEST. (Nach [1])
Ischämischer Herzmuskel (extrakorporal/endokorporal)
Periphere und zentrale Nervenläsionen
Pathologien des Rückenmarks und des Gehirns
Kalzinose der Haut
Pathologien des Kiefers und Zahnhalteapparats

Die Kontraindikationen der ESWT sind überschaubar, unterscheiden sich für die fESWT und die radiale Technik und sind in Tab. 7 zusammengefasst.

Tab. 7: Kontraindikationen der ESWT laut S2e-Leitlinie der DIGEST. (Nach [1])
Radiale Technik und fokussierte Technik mit niedriger Energie (fokussiert und defokussiert)Fokussierte Technik mit hoher Energie
Schwangerschaft (relative Kontraindikation)Hirngewebe/ZNS im Fokus
Maligner Tumor im Fokus (nicht die Tumorerkrankung an sich)Wirbelkörper, Schädelknochen und Rippen
Lungengewebe im Fokus
Maligner Tumor im Fokus (nicht die Tumorerkrankung an sich)
Offene Wachstumsfugen im Fokus (nicht das Kindesalter an sich)
Erhebliche Gerinnungsstörung
Schwangerschaft (relative Kontraindikation)

Die Applikation der ESWT ist zwar einfach, setzt aber medizinische Kompetenz, d. h. entsprechende Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen voraus. Aus Sicht des Verfassers kann die ESWT damit sicher und effektiv eingesetzt werden. Das seitens der DIGEST und ISMST empfohlene Procedere ist entsprechend einzuhalten. So werden im Rahmen der Applikation der ESWT im Bereich des Weich- und Stützgewebes, wie u. a. bei Tendinopathien, Bursitiden, Wundheilungsstörungen etc., keine analgetisierenden Maßnahmen gesetzt. Das diagnostische Standardprocedere vor ESWT umfasst die gezielte Anamnese und klinische Untersuchung sowie (bei Bedarf) die Bildgebung und evtl. neurologische und/oder labordiagnostische Tests. Die therapeutische ESWT-Applikation sollte ausschließlich durch kompetente und qualifizierte, zertifizierte Anwender:innen erfolgen.

Therapeutische ESWT-Applikation ausschließlich durch qualifizierte, zertifizierte Anwender:innen

Nach Abschluss der ESWT kommen eventuell Kühlung und Analgetika sowie jedenfalls regelmäßige Dehnungsübungen zum Einsatz. Letztere werden demonstriert, und ein entsprechendes Merkblatt wird mitgegeben. Weiters sind die Patient:innen darauf hinzuweisen, dass für etwa 4 bis 6 Wochen Überlastungen zu vermeiden sind.

Literatur
  1. Deutschsprachige Internationale Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie e. V.. DIGEST https://digest-ev.de/patienten/indikationen-fuer-patienten.html. Zugegriffen 15 Juli 2025.
Weiterführende Literatur
  1. Crevenna R, Mickel M, Schuhfried O, et al. Focused Extracorporeal Shockwave Therapy in Physical Medicine and Rehabilitation. Curr Phys Med Rehabil Rep. 2021;9:1–10.
  2. Crevenna R, Mickel M, Keilani M. Extracorporeal shock wave therapy in the supportive care and rehabilitation of cancer patients. Support Care Cancer. 2019;27(11):4039–41.
  3. Zdravkovic A, Mickel M, Crevenna R. Successful application of focused extracorporeal shockwave therapy for plantar fasciitis in patients suffering from metastatic breast cancer. Support Care Cancer. 2021;29(8):4187–90.
  4. Wagner B, Ay C, Mickel M, Crevenna R. First application of focused low-energy extracorporeal shockwave therapy in a patient with severe hemophilia A and plantar fasciitis. Wien Klin Wochenschr. 2021;133(5-6):245–6.
  5. Pleiner J, Crevenna R, Quittan M, et al. Extracorporeal shockwave treatment is effective in calcific tendonitis of the shoulder. A randomized controlled trial. Wien Klin Wochenschr. 2004;116(15-16):536–41.

erschienen in SCHMERZ NACHRICHTEN 3/2025

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