20. Juni 2023 – Tag der Intensivmedizin

ÖGARI-Presseaussendung, 19. Juni 2023


ÖGARI, ÖGIAIN und FASIM machen deutlich:
  • Intensivmedizin ist auf das Wohl von Menschen zentriert
  • Primäres Behandlungsziel in der Intensivmedizin ist Regeneration und Reintegration
  • Das Recht zu Entscheiden – die Patient:innenverfügung

Nicht nur am 20. Juni, dem Tag der Intensivmedizin, ist das zentrale gemeinsame Thema der drei großen österreichischen intensivmedizinischen Fachgesellschaften ÖGARIÖGIAIN und FASIM [1] die Aufgaben, Zielsetzungen und die Inhalte der Intensivmedizin verständlich zu machen. Dazu gehört auch eine realistische Darstellung der Herausforderungen und Belastungen der interdisziplinären Teams an Intensivstationen.


Gemeinsame Anliegen zum Tag der Intensivmedizin 2023 seitens der ÖGARI, der ÖGIAIN und der FASIM:
© Universitätsklinikum St. Pölten

Prim. Univ.-Prof. Dr. Christoph Hörmann, Präsident der ÖGARI, Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin erklärt: “Die ÖGARI wurde im Auftrag des österreichischen Gesundheitsministeriums eingeladen, an einer Expert:innengruppe teilzunehmen. Dabei stand die intensivmedizinische Entwicklung in Österreich im Fokus. Dazu hat die ÖGARI ein Positionspapier erarbeitet und präsentiert. Dieses zeigt die personelle und infrastrukturelle Ausstattung von Fachabteilungen, im speziellen auf den Intensivstationen auf, damit zukünftig eine Überforderung von Kapazitäten vermieden werden kann. Wir sind zuversichtlich, dass diese Positionen berücksichtigt und umgesetzt werden.”

© Bundeskanzleramt

Univ.-Prof. Dr. Andreas Valentin, MBA, Vize-Präsident der ÖGIAIN, Österreichische Gesellschaft für Allgemeine und Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, appelliert direkt: “Bitte geben Sie uns für den Fall einer kritischen Erkrankung über Ihren Willen mit einer Patientenverfügung Bescheid, nur so können wir Ihren Willen auch berücksichtigen.”

© MUW

Assoc.-Prof. PD Dr. Eva Schaden, Präsidentin der FASIM, Federation of Austrian Societies of Intensive Care Medicine, tritt für eine Humanisierung der Intensivmedizin ein: “Dieser Anspruch wird naturgemäß nicht nur für unsere Patient:innen und deren An- und Zugehörige gestellt, sondern muss auch auf alle in der Intensivmedizin tätigen Berufsgruppen ausgeweitet werden: Auch wir brauchen humane Arbeitsbedingungen!”


Die Intensivmedizin verhilft kritisch kranken Menschen zu einer Chance eine häufig lebensbedrohliche Situation zu überstehen und so gut wie möglich zu regenerieren. Dafür ist meist eine vorübergehende Organunterstützung mittels apparativer und pharmakologischer Maßnahmen notwendig. Es ist verständlich, dass die meisten Menschen Respekt und großes Unbehagen empfinden, wenn sie an eine Intensivstation denken, daher ist eine Aufklärung über das Wesen der Intensivmedizin besonders wichtig. “Patient:innen müssen auf eine Intensivstation aufgenommen werden, wenn eine Überwachung von Vitalfunktionen wie Herz und Atmung, oder auch von anderen Organfunktionen nötig ist. Dabei werden die Patient:innen von Ärzt:innen und hochqualifizierten Pflegeexpert:innen betreut. Für viele Intensivpatient:innen entwickelt sich der Krankheitsverlauf positiv. Der überwiegende Anteil dieser Patienten verlässt die Intensivstation um wieder in den Alltag integriert zu werden”, erklärt Univ.- Prof. Dr. Christoph Hörmann, Präsident der ÖGARI und führt weiter aus: “Im Vordergrund der Intensivmedizin stehen immer die Patient:innen, mit ihren jeweiligen medizinischen Bedürfnissen. Während die Medizintechnik die Funktion geschädigter Organe bis zu einer Erholung überbrücken kann, ist die medizinische Obsorge und Pflege der wesentlichste Aspekt und wird immer von einem eingespielten Team erbracht.”

Das oft gebrauchte Schlagwort der Apparatemedizin weist Univ.-Prof. Dr. Andreas Valentin, Vize-Präsident der ÖGIAIN, zurück: »In unseren Intensivstationen steht heute neben den umfassenden Möglichkeiten der Intensivmedizin tatsächlich die menschliche Zuwendung, die Erhaltung der Würde eines Menschen und die individuelle Betreuung von Patient:innen und An- und Zugehörigen besonders im Vordergrund.«

Intensivmedizin arbeitet mit individuellen Therapiezielen

Individualisierte Medizin schließt die Charakteristika jedes:jeder einzelnen Patient:in in die Therapieplanung ein. “Das hat beispielsweise dazu geführt, dass intensivmedizinische Zielwerte wie Blutdruck oder Sauerstoffsättigung nicht nur generell aufgrund von Normwerten festgelegt werden, sondern auf den jeweiligen individuellen Bedarf des:der Intensivpatient:in abgestimmt werden kann. Es geht darum, auf die Unterschiede hinsichtlich der physiologischen Reserven und der häufig vorhandenen Begleiterkrankungen, der jeweiligen Phase einer kritischen Erkrankung, aber auch des Alters oder Geschlechts in Behandlungsstrategien und Therapieentscheidungen zu reagieren. Das bezieht sich in besonderer Weise auch auf medizinisch-ethische Aspekte wie der Berücksichtigung des Patient:innenwillens und der individuellen Reflexion von Nutzen, Belastung und Risiko einer intensivmedizinischen Behandlung”, legt Prof. Valentin dar.

Patient:innenverfügung – das Recht zu entscheiden! Ein wesentlicher medizinisch-ethischer Aspekt

Die individuelle Lebensperspektive wird mit der medizinischen Perspektive in Einklang gebracht. “Man muss sich als Intensivmediziner:in immer im Klaren über das jeweilige Ziel sein. Wenn dieses Therapieziel nicht mit realistischen Mitteln erreichbar ist, muss beispielsweise eine Therapiezieländerung von kurativer zu palliativer Versorgung erfolgen”, bestätigt Prof. Hörmann. Liegt zudem eine Patient:innenverfügung vor, müssen Intensivmediziner:innen nicht nur medizinische Fakten beurteilen, sondern auch den festgelegten Willen der Patient:innen umsetzen.

“Eine Patientenverfügung gibt die Möglichkeit, den eigenen Willen hinsichtlich der Ablehnung von medizinischen Maßnahmen für den Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls festzulegen und somit einer eventuellen Unmöglichkeit einer aktuellen Willensäußerung vorzubeugen. Dies ist für eine auf den Menschen zentrierte Intensivmedizin von größter Bedeutung, denn dem Willen eines:einer Patient:in kann nur entsprochen werden, wenn dieser bekannt ist. Eine Patientenverfügung kann sich jedoch nur auf die Ablehnung von konkreten medizinischen Maßnahmen, nicht auf eine Forderung nach bestimmten medizinischen Maßnahmen beziehen. Die Patientenverfügung kann selbstverständlich jederzeit entsprechend abgeändert oder widerrufen werden”, appelliert Prof. Valentin.

Eine auf das Wohl von Menschen zentrierte Intensivmedizin

Menschliche Zuwendung und Individualität der Patient:innen stehen im Vordergrund der Intensivmedizin, dafür sorgen Ärzt:innen und Pflegekräfte an jedem Tag im Jahr, 24 Stunden rund um die Uhr. Der Einsatz des Personals bei Intensivpatient:innen ist enorm. “Durch die ständige Betreuung erkennen behandelnde Teams rasch jeden Verlauf, jede Änderung des Gesundheitszustandes der Patient:innen. Das ermöglicht eine entsprechende konstante Evaluierung der Therapieziele. Der Nutzen der Therapie steht dabei immer im Vordergrund”, so Prof. Hörmann.

Eine kompetente und professionelle interdisziplinäre Teamarbeit ist das Herzstück der Intensivmedizin. Daher hat sich die ÖGARI dazu entschlossen, diplomierte Anästhesie- und Intensivmedizin-Pfleger:innen als Mitglieder in ihre Gesellschaft zu integrieren. Die ÖGIAIN und FASIM folgen mit der Aufnahme dieser essenziellen Berufsgruppe in die Beiräte der Fachgesellschaften.

Teamarbeit und Kompetenz sind die Basis für die hohe Therapie- und Betreuungsqualität an Intensivstationen

“Die Professionalität und gleichzeitige Empathie der Mitarbeiter:innen aus Medizin, Pflege und anderen Gesundheitsberufen an Intensivstationen ist bewundernswert und kann nicht selten bis an die Grenzen der Belastbarkeit führen, wie nicht zuletzt die COVID-Pandemie gezeigt hat. Gleichzeitig war in der Pandemie aber auch zu bemerken, wie Ärzt:innen und Intensivpfleger:innen unter schwierigsten Bedingungen die eigene Persönlichkeit eingebracht haben, um Patient:innen und An- und Zugehörigen in einer der vielleicht belastendsten Phasen ihres Lebens beizustehen”, erinnert Prof. Valentin.

Assoc.-Prof. PD Dr. Eva Schaden, Präsidentin der FASIM bestätigt diese Beobachtung: “Moderne Intensivmedizin, die nicht nur das unmittelbare Überleben von Patient:innen ermöglicht, sondern vor allem auch die bestmögliche Wiedereingliederung der Betroffenen in das vor der Erkrankung oder einem Unfall geführte Leben im Blick hat, ist nur durch die gemeinsame Leistung multidisziplinärer Teams möglich. Um das Potential und – besonders wichtig – die Arbeitszufriedenheit dieser Teams zu erhalten bzw. maßgeblich zu fördern, braucht es aber Arbeitsbedingungen, in denen die selbst gestellten Ansprüche hinsichtlich Therapie- und Betreuungsqualität erfüllt werden können.”

Intensivmedizinisches Personal verdient gute Arbeitsbedingungen, Wertschätzung und eine adäquate Entlohnung

Flexibilisierung der Arbeitszeit, Telemedizin und KI-Maßnahmen können Teil der Lösung von Personalknappheit sein. “Immer dort, wo tatsächlich Prozesse automatisiert werden können, soll man über den Einsatz von KI nachdenken. Ärzt:innen und Pflegepersonal könnten bei der schriftlichen Dokumentation, Berichten und dem Erstellen von Statistiken verstärkt entlasten werden”, beschreibt Prof. Hörmann die notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Prof. Schaden spricht sich außerdem für eine rasche Erhöhung der Entlohnung aus: “Es ist nicht nur die Frage, ob wir ausreichend Personal ausgebildet haben bzw. ausbilden, sondern auch ob es gelingt, bestens ausgebildetes und erfahrenes Personal im Beruf zu halten respektive zur Rückkehr in den Beruf zu bewegen. Dazu müssen auch in den akutmedizinischen Bereichen wie eben der Intensivmedizin Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die mit dem Verständnis der nachfolgenden Generationen für eine individuelle Work-Life-Balance kompatibel sind.”


[1] 

ÖGARI Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin Präsident Prim. Univ. Prof. Dr. Christoph Hörmann www.oegari.at

ÖGIAIN Österreichische Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin

Vize-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Valentin, MBA www.intensivmedizin.at

FASIM (Federation of Austrian Societies of Intensive Care Medicine, Verband der intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs) Präsidentin Assoc.-Prof. Priv.-Doz.Dr. Eva Schaden fasim.at